Werke
Augen traten ihnen zum Kopfe heraus, und da man nur ihr wechselseitiges Anblicken durch die Ferngläser, sonst aber keine Ursache ihres Veitstanzes gewahrte, so mußte man sie für Rasende halten, die dem Irrenhause entsprungen. – Die Sache war übrigens ganz artig anzusehen. –
Herrn Swammerdamm gelang es endlich, den bösen Leuwenhoek aus seiner Stellung an der Türe, die er mit hartnäckiger Tapferkeit behauptet, zu vertreiben und den Kampf in den Hintergrund des Flurs zu spielen.
George Pepusch nahm den Augenblick wahr, drückte die frei gewordene Türe, die weder verschlossen noch verriegelt war, auf und schlüpfte ins Zimmer hinein. Sogleich stürzte er aber auch wieder heraus, schrie: »Sie ist fort – fort!« und eilte mit Blitzesschnelle aus dem Hause von dannen. – Beide, Leuwenhoek und Swammerdamm, hatten sich schwer getroffen, denn beide hüpften, tanzten auf ganz tolle Weise und machten dazu mit Heulen und Schreien eine Musik, die dem Wehgeschrei der Verdammten in der Hölle zu gleichen schien.
Peregrinus wußte in der Tat nicht recht, was er beginnen sollte, die Wütenden auseinanderzubringen und so einen Auftritt zu endigen, der ebenso lächerlich als entsetzlich war. Endlich gewahrten beide, daß die Türe des Zimmers weit offen stand, vergaßen Kampf und Schmerz, steckten die verderblichen Waffen ein und stürzten sich ins Zimmer.
Schwer fiel es nun erst dem Herrn Peregrinus Tyß aufs Herz, daß die Schönste aus dem Hause entflohen, er verwünschte den abscheulichen Leuwenhoek in die Hölle. Da ließ sich auf der Treppe Alinens Stimme vernehmen. Sie lachte laut auf und rief wiederum dazwischen: »Was man nicht alles erlebt! Wundersam – unglaublich! – wer hätte sich das träumen lassen!« –
»Was ist,« fragte Peregrinus kleinlaut, »was ist denn schon wieder Unglaubliches vorgefallen?«
»O lieber Herr Tyß,« rief ihm die Alte entgegen, »kommen Sie doch nur schnell herauf, gehen Sie doch nur in Ihr Zimmer.«
Die Alte öffnete ihm schalkisch kichernd die Türe seines Gemachs. Als er hineintrat, da, o Wunder! o Wonne! hüpfte ihm die holde Dörtje Elverdink entgegen, gekleidet in das verführerische Gewand von Silberzindel, wie er sie bei dem Herrn Swammer erblickt. »Endlich, endlich sehe ich dich wieder, mein süßer Freund,« lispelte die Kleine und wußte sich dem Peregrinus so anzuschmiegen, daß er nicht umhinkonnte, sie, aller guten Vorsätze unerachtet, auf das zärtlichste zu umarmen. Die Sinne wollten ihm vergehen vor Entzücken und Liebeslust. –
Wohl oft hat es sich aber begeben, daß jemand gerade im höchsten Rausch der überschwenglichsten Wonne sich recht derb die Nase stieß und plötzlich, geweckt durch den irdischen Schmerz, aus dem seligen Jenseits hinabfiel in das ordinäre Diesseits. Geradeso ging es Herrn Peregrinus. Als er sich nämlich hinabbückte, um Dörtjes süßen Mund zu küssen, stieß er sich ganz entsetzlich die nicht unansehnliche Nase an dem Diadem von funkelnden Brillanten, das die Kleine in den schwarzen Locken trug. Der empfindliche Schmerz des Stoßes an den eckicht geschliffenen Steinen brachte ihn hinlänglich zu sich selbst, um das Diadem zu gewahren. Das Diadem mahnte ihn aber an die Prinzessin Gamaheh, und dabei mußte ihm wieder alles einfallen, was ihm Meister Floh von dem verführerischen Wesen gesagt hatte. Er bedachte, daß einer Prinzessin, der Tochter eines mächtigen Königs, unmöglich an seiner Liebe etwas gelegen sein könne, und daß ihr ganzes liebeatmendes Betragen wohl nur als gleisnerischer Trug gelten dürfe, durch den die Verräterin sich den zauberischen Floh wiederverschaffen wolle. – Dies betrachtend, glitt ein Eisstrom durch sein Inneres, der die Liebesflammen, wenn auch nicht gänzlich auslöschte, so doch wenigstens dämpfte.
Peregrinus wand sich sanft aus den Armen der Kleinen, die ihn liebend umfaßt hatte, und sprach leise mit niedergeschlagenen Augen: »Ach du lieber Himmel! Sie sind ja doch die Tochter des mächtigen Königs Sekakis, die schöne, hohe, herrliche Prinzessin Gamaheh! – Verzeihung, Prinzessin, wenn mich ein Gefühl, dem ich nicht widerstehen konnte, hinriß zur Torheit, zum Wahnsinn. Aber Sie selbst, Durchlauchtige –«
»Was,« unterbrach Dörtje Elverdink den Peregrinus, »was sprichst du, mein holder Freund? Ich eines mächtigen Königs Tochter? ich eine Prinzessin? Ich bin ja deine Aline, die dich lieben wird bis zum Wahnsinn, wenn du – doch, wie ist mir denn? Aline, die Königin
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