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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E.T.A. Hoffmann
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mord faul.« – Die Silbe mord war dreimal unterstrichen, und Knarrpanti meinte, ob jemand wohl verbrecherischere Gesinnungen an den Tag legen könne, als wenn er bedauere, heute keinen Mord verübt zu haben!
    Der Abgeordnete wiederholte seine Meinung, daß in den Papieren des Herrn Peregrinus Tyß auch nicht die leiseste Spur eines Verbrechens merkbar geworden. Knarrpanti schüttelte ungläubig den Kopf, und der Abgeordnete bat ihn, doch noch einmal jene Stellen, die er selbst als verdächtig ausgezogen, anzuhören, wiewohl im bessern Zusammenhange.
    Der geneigte Leser wird sich sehr bald von Knarrpantis sublimer Schlauheit ganz überzeugen. –
    Der Abgeordnete schlug das verfängliche Tagebuch auf und las: »Heute sah ich im Theater Mozarts ›Entführung aus dem Serail‹ zum zwanzigstenmal mit demselben Entzücken. Es ist doch was Hohes, Herrliches um diese Entführung .« Ferner: »Die Blumen, sie konnten mir alle gefallen, doch hab’ ich von allen die schönste entführt .« Ferner: » Entführt habe ich ihm diese Marianne, diese Philine, diese Mignon; denn zu sehr vertiefte er sich in diese Gestaltungen, phantasierte von dem alten Harfner und zankte mit Jarno. ›Wilhelm Meister‹ ist kein Buch für solche, die eben aus schwerer Nervenkrankheit erstehen.« Ferner: »Jüngers ›Entführung‹ ist ein artiges Lustspiel. Ich liebe diese Entführungen, weil sie der Intrige ein besonderes Leben einhauchen.« Ferner: »Der zu wenig überdachte Plan brachte mich gewaltig in die Enge. Entführt sollte, mußte Julia werden, und es geschah wirklich, da ich sie auf einem einsamen Spaziergange im Walde von Vermummten überfallen und fortschleppen ließ. Ich freute mich ungemein über diese neue Idee, die ich breit genug ausführte. Überhaupt war dies Trauerspiel ein gar drolliges Machwerk des begeisterten Knaben, und es tut mir leid, daß ich es ins Feuer geworfen.« – Der Brief lautete: »So oft siehst Du Friederiken in der Gesellschaft, Du Glücklicher! Wahrscheinlich läßt Moritz niemanden heran und nimmt ihre ganze Aufmerksamkeit in Beschlag. Wärst Du nicht so blöde, so weiberscheu, so möcht’ ich Dich bitten, entführe ihm Friederiken, wo und wie Du nur kannst. «
    Knarrpanti blieb dabei, daß selbst der Zusammenhang die Sache nicht bessere, da es eben arglistige Schlauheit der Verbrecher sei, solche Äußerungen so zu verhüllen, daß sie auf den ersten Blick für ganz indifferent, für ganz unschuldig gelten könnten. Als besonderen Beweis solcher Schlauheit machte der tiefsinnige Knarrpanti den Abgeordneten auf einen Vers aufmerksam, der in Peregrinus’ Papieren vorkam, und worin von einer endlosen Führung des Schicksals die Rede war. Nicht wenig tat sich Knarrpanti auf die Sagazität zugute, mit der er sogleich herausgefunden, daß das Wort Entführung in jenem Verse getrennt worden, um es der Aufmerksamkeit und dem Verdacht zu entziehen. –
    Der Rat wollte immer noch nicht auf ein weiteres Verfahren wider den Angeklagten Peregrinus Tyß eingehen, und die Rechtsverständigen bedienten sich eines Ausdrucks, der schon deshalb hier stehen darf, weil er sich in dem Märchen vom Meister Floh wunderlich ausnimmt, das Wunderliche aber, darf das Wunderbare der eigentliche Schmuck des Märchens genannt werden, doch als ein angenehmer Schnörkel nicht zu verwerfen ist. Sie sagten (nämlich die Rechtsverständigen), es fehle gänzlich an einem Corpus delicti, der weise Rat Knarrpanti blieb aber fest dabei stehen, daß ihn das delictum den Henker was kümmere, wenn er nur ein Corpus in die Faust bekäme, und das Corpus sei der gefährliche Entführer und Mörder, Herr Peregrinus Tyß. – Der Herausgeber bittet den geneigten nicht rechtsverständigen Leser, vorzüglich aber jede schöne Leserin, sich diese Stelle von einem jungen Rechtsgelehrten erklären zu lassen. Besagter Rechtsgelehrter wird sich augenblicklich in die Brust werfen und beginnen: »In der Rechtssprache heißt u.s.w.«
    Bloß den Vorfall in der Nacht, von dem die Zeugen gesprochen, hielt der Abgeordnete für einen Gegenstand, worüber Herr Peregrinus Tyß wohl vernommen werden müßte.
    Peregrinus geriet in nicht geringe Verlegenheit, als er von dem Abgeordneten über den Hergang der Sache befragt wurde. Er fühlte, daß die ganze Erzählung, weiche er in keinem Umstande von der Wahrheit ab, eben deshalb den Stempel der Lüge, wenigstens der höchsten Unwahrscheinlichkeit tragen müsse. Für ratsam fand er es daher, ganz zu schweigen und

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