Werke
Peregrinus, indem er die Kleine zärtlich umschlang, »verlange alles, mein süßes Leben, alles, was du willst, dein leisester Wunsch ist mir Gebot. Nichts in der Welt ist mir so teuer, daß ich es nicht dir, nicht deiner Liebe mit Freuden opfern sollte.«
»Weh mir,« zischelte Meister Floh. »Wer hätte das gedacht, daß die Treulose siegen sollte. Ich bin verloren!«
»So höre denn,« fuhr die Kleine fort, nachdem sie die glühenden Küsse, die Peregrinus auf ihre Lippen gedrückt, feurig erwidert hatte, »so höre denn, ich weiß, auf welche Art der« –
Die Tür sprang auf, und hinein trat Herr George Pepusch. »Zeherit!« schrie wie in Verzweiflung die Kleine auf und sank leblos in den Sofa zurück.
Die Distel Zeherit flog aber auf die Prinzessin Gamaheh los, nahm sie in den Arm und rannte mit ihr blitzschnell von dannen.
Meister Floh war für diesmal gerettet. –
[ Δ ]
Fünftes Abenteuer
Merkwürdiger Prozeß und ferneres weises, verständiges Benehmen des Herrn Geheimen Hofrats Knarrpanti. Gedanken junger dichterischer Enthusiasten und schriftstellerischer Damen. Peregrinus’ Betrachtungen über sein Leben und Meister Flohs Gelehrsamkeit und Verstand. Seltene Tugend und Standhaftigkeit des Herrn Tyß. Unerwarteter Ausgang eines bedrohlichen tragischen Auftritts.
Der geneigte Leser erinnert sich, daß die Papiere des Herrn Peregrinus Tyß in Beschlag genommen wurden, um einer Tat, die nicht geschehen, näher auf die Spur zu kommen. Beide, der Abgeordnete des Rats und der Geheime Hofrat Knarrpanti, hatten jede Schrift, jeden Brief, ja jedes Zettelchen, das vorgefunden (Wasch-und Küchenzettel nicht ausgenommen), auf das genaueste durchgelesen, wären aber nun rücksichts des Resultats ihrer Erforschungen völlig verschiedener Meinung.
Der Abgeordnete versicherte nämlich, daß die Papiere auch nicht ein Wort enthielten, welches Bezug auf ein Verbrechen haben könne, wie es Peregrinus der Anklage nach begangen haben solle. Des Herrn Geheimen Hofrats Knarrpanti späherisches Falkenauge hatte dagegen gar vieles in den Schriften des Herrn Peregrinus Tyß entdeckt, das ihn als einen höchst gefährlichen Menschen darstellte. Peregrinus hatte sonst in seinen früheren Jünglingsjahren ein Tagebuch gehalten; in diesem Tagebuch gab es nun aber eine Menge verfänglicher Stellen, die rücksichts der Entführung junger Frauenzimmer nicht allein auf seine Gesinnungen ein sehr nachteiliges Licht warfen, sondern ganz klar nachwiesen, daß er dies Verbrechen schon öfters begangen. – So hieß es: »Es ist doch was Hohes, Herrliches um diese Entführung!« Ferner: »Doch hab’ ich von allen die schönste entführt!« – Ferner: »Entführt habe ich ihm diese Marianne, diese Philine, diese Mignon!« – Ferner: »Ich liebe diese Entführungen.« – Ferner: »Entführt sollte, mußte Julia werden, und es geschah wirklich, da ich sie auf einem einsamen Spaziergange im Walde von Vermummten überfallen und fortschleppen ließ.«
Außer diesen ganz entscheidenden Stellen im Tagebuch fand sich auch noch der Brief eines Freundes vor, in dem es verfänglicherweise hieß: »so möcht’ ich dich bitten, entführe ihm Friederiken, wo und wie du nur kannst.«
Alle die erwähnten Worte nebst hundert andern Phrasen, waren nur die Wörter: Entführung, entführen, entführt darin enthalten, hatte der weise Knarrpanti nicht allein mit Rotstift dick unterstrichen, sondern noch auf einem besondern Blatte zusammengestellt, welches sich sehr hübsch ausnahm, und mit welcher Arbeit er ganz besonders zufrieden schien.
»Sehen Sie wohl,« sprach Knarrpanti zu dem Abgeordneten des Rats, »sehen Sie wohl, wertester Herr Kollege, habe ich es nicht gesagt? Der Peregrinus Tyß ist ein verruchter abscheulicher Mensch, ein wahrer Don Juan. Wer weiß, wo die unglücklichen Schlachtopfer seiner Lüste hingekommen sind, die Marianne, die Philine, und wie sie alle heißen mögen. Es war die höchste Zeit, daß dem Unwesen gesteuert wurde, sonst hätte der gefährliche Mensch durch seine entführerischen Umtriebe die gute Stadt Frankfurt in tausend Leid versetzen können. Was hat der Mensch schon nach seinen eignen Geständnissen für Verbrechen begangen! – Sehen Sie diese Stelle, bester Herr Kollege, und urteilen Sie selbst, wie der Peregrinus das Entsetzliche im Schilde führt.«
Die Stelle in dem Tagebuche, auf welche der weise Geheime Hofrat Knarrpanti den Abgeordneten des Rats aufmerksam machte, lautete: »Heute war ich leider
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