Werke
Da sagte mir aber die gute freundliche Aline, daß Sie ausgegangen wären, und die Sache hier unten litt keinen Aufschub.«
»Welche Sache?« fragte Peregrinus ziemlich barsch, »welche Sache hier unten ist’s, die keinen Aufschub leidet?«
»Sollten Sie,« fuhr der Mann mit widrigem Lächeln fort, »sollten Sie, wertester Herr Tyß, denn nicht wissen, daß mir meine ungeratene Nichte Dörtje Elverdink entlaufen ist? Sie sind ja, wiewohl mit großem Unrecht, als ihr Entführer verhaftet worden, weshalb ich denn auch, sollte es darauf ankommen, mit vielem Vergnügen Ihre völlige Unschuld bezeugen werde. Nicht zu Ihnen, nein, zu dem Herrn Swammerdamm, der sonst mein Freund war, sich aber jetzt in meinen Feind verkehrt hat, ist die treulose Dörtje geflüchtet. Sie sitzt hier im Zimmer, ich weiß es, und zwar allein, da Herr Swammerdamm ausgegangen. Eindringen kann ich nicht, da die Türe fest verschlossen und verriegelt ist, ich aber viel zu gutmütig bin, um Gewalt anzuwenden. Deshalb nehme ich mir aber die Freiheit, die Kleine mit meinem optischen Marter-Instrument etwas zu quälen, damit sie doch erkenne, daß ich, trotz ihres eingebildeten Prinzessintums, ihr Herr und Meister bin!«
»Der Teufel,« schrie Peregrinus im höchsten Grimm, »der Teufel sind Sie, Herr! aber nicht Herr und Meister der holden himmlischen Gamaheh. Fort aus dem Hause, treiben Sie Ihre Satanskünste, wo Sie wollen, aber hier scheitern Sie damit, dafür werde ich sorgen.« –
»Ereifern,« sprach Leuwenhoek, »ereifern Sie sich doch nur nicht, bester Herr Tyß, ich bin ein unschuldiger Mann, der nichts will als alles Gute. Sie wissen nicht, wessen Sie sich annehmen. Es ist ein kleiner Unhold, ein kleiner Basilisk, der dort im Zimmer sitzt in der Gestalt des holdesten Weibleins. Möchte sie, wenn ihr der Aufenthalt bei meiner Wenigkeit durchaus mißfiel, doch geflohen sein; aber durfte die treulose Verräterin mir mein schönstes Kleinod, den besten Freund meiner Seele, ohne den ich nicht leben, nicht bestehen kann, rauben? Durfte sie mir den Meister Floh entführen? – Sie werden, Verehrtester, nicht verstehen, was ich meine, aber« –
Hier konnte sich Meister Floh, der von dem Jabot des Herrn Peregrinus hinaufgesprungen war und den sicheren und bequemeren Platz in der Halsbinde eingenommen hatte, nicht enthalten, ein feines höhnisches Gelächter aufzuschlagen.
»Ha,« rief Leuwenhoek, wie vom jähen Schreck getroffen, »ha! was war das! – sollte es möglich sein? – ja, hier an diesem Orte! – erlauben Sie doch, verehrtester Herr Peregrinus!«
Damit streckte Leuwenhoek den Arm aus, trat dicht heran an Herrn Peregrinus und wollte nach seiner Halsbinde greifen.
Peregrinus wich ihm aber geschickt aus, faßte ihn mit starker Faust und schleppte ihn nach der Haustüre, um ihn ohne weiteres hinauszuwerfen. Eben als Peregrinus sich mit Leuwenhoek, der sich in ohnmächtigen Protestationen erschöpfte, dicht an der Türe befand, wurde diese von außen geöffnet, und hinein stürmte George Pepusch, hinter ihm aber Herr Swammerdamm.
Sowie Leuwenhoek seinen Feind Swammerdamm erblickte, riß er sich los mit der höchsten Anstrengung seiner letzten Kräfte, sprang zurück und stemmte sich mit dem Rücken gegen die Türe des verhängnisvollen Zimmers, wo die Schöne gefangen saß.
Swammerdamm zog, dies gewahrend, ein kleines Fernglas aus der Tasche, schob es lang aus und ging dem Feinde zu Leibe, indem er laut rief: »Zieh, Verdammter, wenn du Courage hast!«
Schnell hatte Leuwenhoek ein ähnliches Instrument in der Hand, schob es ebenfalls auseinander und schrie: »Nur heran, ich stehe dir, bald sollst du meine Macht fühlen!« – Beide setzten nun die Ferngläser ans Auge und fielen grimmig gegeneinander aus mit scharfen mörderischen Streichen, indem sie ihre Waffen durch Aus- und Einschieben bald verlängerten, bald verkürzten. Da gab es Finten, Paraden, Volten, kurz alle nur mögliche Fechterkünste, und immer mehr schienen sich die Gemüter zu erhitzen. Wurde einer getroffen, so schrie er laut auf, sprang in die Höhe, machte die wunderlichsten Kapriolen, die schönsten Entrechats, Pirouetten, wie der beste Solotänzer von der Pariser Bühne, bis der andere ihn mit dem verkürzten Fernglase fest fixierte. Geschah diesem nun Gleiches, so machte er es ebenso. So wechselten sie mit den ausgelassensten Sprüngen, mit den tollsten Gebärden, mit dem wütendsten Geschrei; der Schweiß tropfte ihnen von der Stirne herab, die blutroten
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