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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E.T.A. Hoffmann
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nicht hübsch von Ihnen, daß Sie sich so einsperren, daß Sie sich nicht sehen lassen. Sie glauben nicht, wie Mutterchen Ihnen gut ist, weil Sie solch ein verständiger Mensch sind. Versprechen Sie mir, bald zu kommen. Da! Küssen Sie mir die Hand.« – Die Gedanken lauteten: »Wie, was ist das? was ist mit dem Vetter vorgegangen? Ich wollte ihn recht in Furcht und Angst setzen. Sonst lief er vor mir, vor jedem Frauenzimmer, und jetzt bleibt er stehen und guckt mir so ganz sonderbar ins Auge und küßt mir die Hand ohne alle Scheu! Sollte er in mich verliebt sein? Das fehlte noch! – Die Mutter sagt, er sei etwas dämisch. Was tut’s, ich nehm’ ihn; ein dämischer Mann ist, wenn er reich ist, wie der Vetter, eben der beste.« Die Schwester hatte mit niedergeschlagenen Augen und hochroten Wangen bloß gelispelt: »Ja, besuchen Sie uns recht bald, lieber Vetter!« – Die Gedanken lauteten: »Der Vetter ist ein recht hübscher Mensch, und ich begreife nicht, warum ihn die Mutter albern und abgeschmackt nennt und ihn nicht leiden mag. Wenn er in unser Haus kommt, verliebt er sich in mich, denn ich bin das schönste Mädchen in ganz Frankfurt. Ich nehme ihn, weil ich einen reichen Menschen heiraten will, damit ich bis eilf Uhr schlafen darf und teurere Shawls tragen kann als die Frau von Lersner.« – Ein vorüberfahrender Arzt ließ, als er den Peregrinus erblickte, den Wagen halten und schrie zum Schlage heraus: »Guten Morgen, bester Tyß! Sie sehen aus, wie das Leben! der Himmel erhalte Sie bei guter Gesundheit! Aber wenn Ihnen was zustoßen sollte, so denken Sie an mich, an den alten Freund Ihres seligen Herrn Vaters. – Solchen kräftigen Naturen helfe ich auf die Beine in weniger Zeit! Adieu!« Die Gedanken lauteten: »Ich glaube, der Mensch ist aus purem Geiz beständig gesund? Aber er sieht mir so blaß, so verstört aus, er scheint mir endlich was am Halse zu haben. Nun! kommt er mir unter die Hände, so soll er nicht wieder so bald vom Lager aufstehen, er soll tüchtig büßen für seine hartnäckige Gesundheit.«
    »Sei’n Sie schönstens gegrüßt, Wohledler!« rief ihm gleich darauf ein alter Kaufmann entgegen; »sehen Sie, wie ich laufe und renne, wie ich mich plagen muß der Geschäfte halber. Wie weise ist es, daß Sie sich den Geschäften entzogen, unerachtet es bei Ihren Einsichten Ihnen gar nicht fehlen könnte, den Reichtum Ihres braven Herrn Vaters zu verdoppeln.«
    Die Gedanken lauteten: »Wenn der Mensch nur Geschäfte machen wollte, der verwirrte Einfaltspinsel würde in kurzer Zeit seinen ganzen Reichtum verspekulieren, und das wäre dann ein Gaudium. Der alte Herr Papa, der seine Freude daran hatte, andere ehrliche Leute, die sich durch ein klein Bankerottchen aufhelfen wollten, schonungslos zu ruinieren, würde sich im Grabe umdrehen.« –
    Noch viel mehr solche schneidende Widersprüche zwischen Worten und Gedanken liefen dem Peregrinus in den Weg. Stets richtete er seine Antworten mehr nach dem ein, was die Leute gedacht, als nach dem, was sie gesprochen, und so konnt’ es nicht fehlen, daß, da Peregrinus in der Leute Gedanken eingedrungen, sie selbst gar nicht wußten, was sie von dem Peregrinus denken sollten. Zuletzt fühlte sich Herr Peregrinus ermüdet und betäubt. Er schnippte mit dem Daumen, und sogleich verschwand das Glas aus der Pupille des linken Auges.
    Als Peregrinus in sein Haus trat, wurde er durch ein seltsames Schauspiel überrascht. Ein Mann stand in der Mitte des Flurs und sah durch ein seltsam geformtes Glas unverwandten Blickes nach Herrn Swammers Stubentür. Auf dieser Türe spielten aber sonnenhelle Kreise in Regenbogenfarben, fuhren zusammen in einen feurigglühenden Punkt, der durch die Türe zu dringen schien. Sowie dies geschehen, vernahm man ein dumpfes Ächzen, von Schmerzenslauten unterbrochen, das aus dem Zimmer zu kommen schien.
    Zu seinem Entsetzen glaubte Herr Peregrinus Gamahehs Stimme zu erkennen.
    »Was wollen Sie? Was treiben Sie hier?« So fuhr Peregrinus auf den Mann los, der wirklich Teufelskünste zu treiben schien, indem stets rascher, stets feuriger die Regenbogenkreise spielten, stets glühender der Punkt hineinfuhr, stets schmerzlicher die Jammerlaute aus dem Zimmer ertönten.
    »Ah!« sprach der Mann, indem er seine Gläser zusammenschob und schnell einsteckte, »ah, sieh da, der Herr Wirt! Verzeihen Sie, bester Herr Tyß, daß ich hier ohne Ihre gütige Erlaubnis operiere. Aber ich war bei Ihnen, um mir diese Erlaubnis zu erbitten.

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