Werke
Mainz, und ich glaube gar, auch in Indien gewesen und konnte französisch beten und singen. Habe ich dieser Frau Muhme den unchristlichen Namen Aline zu verdanken, so will ich ihr das gern im Grabe verzeihen, da ich, was die feine Lebensart, die Manierlichkeit, den Verstand, die Worte hübsch zu setzen, allein von ihr profitiert habe. Als ich nun recht viel von der Frau Muhme erzählte, fragte die kleine Prinzessin nach meinen Eltern, Großeltern und immer so weiter und weiter in die Familie hinein. Ich schüttete mein Herz aus, ich sprach ganz ohne Rückhalt davon, daß meine Mutter beinahe ebenso schön gewesen sei als ich, wiewohl ich sie in Ansehung der Nase übertreffe, die vom Vater abstamme und überhaupt nach der Form in der Familie gebräuchlich sei, schon seit Menschengedenken. Da kam ich denn auch auf die Kirchweihe zu reden, als ich den Deutschen tanzte mit dem Sergeanten Häberpiep und die himmelblauen Strümpfe angezogen hatte mit den roten Zwickeln. – Nun! lieber Gott, wir sind alle schwache, sündige Menschen. – Doch, Herr Tyß, Sie sollten nun selbst gesehen haben, wie die kleine Prinzeß, die erst gekichert und gelacht hatte, daß es eine Lust war, immer stiller und stiller wurde und mich anstarrte mit solchen seltsamen Blicken, daß mir in der Tat ganz graulich zumute wurde. – Und, denken Sie sich, Herr Tyß, plötzlich, ehe ich mir’s versehen, liegt die kleine Prinzeß vor mir auf den Knieen und will mir durchaus die Hand küssen und ruft ›Ja, du bist es, nun erst erkenne ich dich, ja, du bist es selbst!‹ – Und als ich nun ganz erstaunt frage, was das heißen soll« –
Die Alte stockte, und als Peregrinus in sie drang, doch nur weiter zu reden, nahm sie ganz ernst und bedächtig eine große Prise und sprach: »Wirst es zeitig genug erfahren, mein Söhnchen, was sich nun weiter begab. Jedes Ding hat seine Zeit und seine Stunde!«
Peregrinus wollte eben noch schärfer in die Alte dringen, ihm mehr zu sagen, als diese in ein gellendes Gelächter ausbrach. Peregrinus mahnte sie mit finstrem Gesicht daran, daß sein Zimmer eben nicht der Ort sei, wo sie mit ihm Narrenspossen treiben dürfe. Doch die Alte schien, beide Fäuste in die Seiten stemmend, ersticken zu wollen. Die brennend rote Farbe des Antlitzes ging über in ein angenehmes Kirschbraun, und Peregrinus stand im Begriffe, der Alten ein volles Glas Wasser ins Gesicht zu gießen, als sie zu Atem kam und die Sprache wiedergewann. »Soll,« sprach sie, »soll man nicht lachen über das kleine närrische Ding. – Nein, solche Liebe gibt es gar nicht mehr auf Erden! – Denken Sie sich, Herr Tyß« – die Alte lachte aufs neue, dem Peregrinus wollte die Geduld ausgehen. Endlich brachte er dann mit Mühe heraus, daß die kleine Prinzeß in dem Wahne stehe, daß er, Herr Peregrinus Tyß, durchaus die Alte heiraten wolle, und daß sie, die Alte, ihr aufs feierlichste versprechen müssen, seine Hand auszuschlagen. –
Dem Peregrinus war es, als sei er in ein böses Hexenwesen verflochten, und es wurde ihm so unheimlich zumute, daß ihm selbst die alte ehrliche Aline ein gespenstiges Wesen bedünken wollte, dem er nicht schnell genug entfliehen könne.
Die Alte ließ ihn nicht fort, weil sie ihm noch ganz geschwind etwas vertrauen müsse, was die kleine Prinzeß angehe.
»Es ist,« sprach die Alte vertraulich, »es ist nun gewiß, daß Ihnen, lieber Herr Peregrinus, der schöne leuchtende Glücksstern aufgegangen, aber es bleibt nun Ihre Sache, sich den Stern günstig zu erhalten. Als ich der Kleinen beteuerte, daß Sie ganz erstaunlich in sie verliebt und weit entfernt wären, mich heiraten zu wollen, meinte sie, daß sie sich nicht eher davon überzeugen und Ihnen ihre schöne Hand reichen könne, bis Sie ihr einen Wunsch gewährt, den sie schon lange im tiefsten Herzen trage. Die Kleine behauptet, Sie hätten einen kleinen allerliebsten Negerknaben bei sich aufgenommen, der aus ihrem Dienste entlaufen; ich habe dem zwar widersprochen, sie behauptet aber, der Bube sei so winzig klein, daß er in einer Nußschale wohnen könne. Diesen Knaben nun« –
»Daraus wird nichts,« fuhr Peregrinus, der längst wußte, wo die Alte hinauswollte, heftig auf und verließ stürmisch Zimmer und Haus.
Es ist eine alte hergebrachte Sitte, daß der Held der Geschichte, ist er von heftiger Gemütsbewegung ergriffen, hinausläuft in den Wald oder wenigstens in das einsam gelegene Gebüsch. Die Sitte ist darum gut, weil sie im Leben wirklich
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