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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E.T.A. Hoffmann
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»hast du nicht selbst gesehen, wie Charost über den Marquis herfiel?« – »Nein, mein Herr,« antwortete die Befragte, »das habe ich nicht gesehen.«
    »Gestehe,« donnert Bonnet heraus, »oder du wirst augenblicklich gehängt!« – »Ja ja,« spricht jetzt das arme Ding in der entsetzlichsten Angst, »Charost fiel her über den Marquis etc.«
    Mehrere Personen, welche beide, die Lemoine und die Mercier, im Gefängnisse gesprochen hatten, bekundeten, daß die Mädchen über Bonnets Verfahren bitter geklagt und gewünscht, vor einen andern Richter gestellt zu werden, damit sie die Wahrheit sagen könnten, nämlich daß sie den Mord nur vermutet. Was aber wichtiger einwirkte, Breton, der Gerichtsschreiber, mußte zugestehen, daß Bonnet ganz so, wie es die beiden Mädchen behaupteten, verfahren; ja daß er einmal, als die Mercier irgendeinen Umstand, den er im Kopfe ausgebrütet, nicht gestehen wollen, ein Messer aus der Tasche gezogen und gedroht, ihr augenblicklich die Finger abzuschneiden, wenn sie nicht gestehen werde. Noch mehr! – Schließer und Schließerin des Gefängnisses, wo die Mädchen saßen, mußten ihnen, so hatte es Bonnet verordnet, den ganzen Tag über wiederholen, daß sie gehängt werden würden, wenn sie das mindeste von dem, was sie ausgesagt, zurücknähmen. Dies veranlaßte auch, daß sie anfangs den zurückgekehrten Marquis nicht anerkennen wollten.
    Merkwürdig genug war es auch, daß die kleine Pivardiere, die ihren Vater augenblicklich wiedererkannte, versicherte, sie wisse nicht, wie sie dazu gekommen, das alles dem Herrn von Preville so zu sagen, wie er es ihr nachgesprochen. Aber sie sei so scharf befragt worden, so in Angst geraten, und in der Tat habe sie auch jene Nacht in einem andern Zimmer geschlafen etc.
    Ganz Paris, das von der Untat der Marquise erfüllt gewesen, feierte jetzt ihren Triumph, und gerade diejenigen, die sie am schonungslosesten verdammt hatten, ohne an die Möglichkeit ihrer Unschuld zu denken, erschöpften sich jetzt in dem übertriebensten Lob. Der Graf von Saint Hermine, der den ermordeten Marquis de la Pivardiere als einen rechtschaffenen, tapfern Mann bedauert, erklärte jetzt, da er lebte, daß er ein großer Taugenichts sei, der der gerechten Strafe nicht entgehen werde.
    Die tätige Duchesse d’Aiguisseau übernahm es, der Marquise die Glückwünsche der Pariser Welt zu überbringen und sie dorthin einzuladen, um aufs neue die Zirkel zu beleben, in denen sie sonst geglänzt.
    Sie fand die Marquise von tiefem Gram entstellt und in jener teilnahmlosen Ruhe, die von gänzlicher Entsagung zeugt. »Was sprecht Ihr!« rief die Duchesse ganz bestürzt, als die Marquise versicherte, sie wäre nicht schuldlos gestorben, sondern hätte ein Verbrechen mit dem Tode gebüßt. »Ich halte es,« erwiderte die Marquise, indem ein düsteres Feuer in ihren Augen aufflammte, »ich halte es nicht für möglich, daß Ihr, Frau Duchesse, an ein Verbrechen denken könnt, das nur sündigt gegen irdisches Gesetz? – Ach, ich liebte ihn, – ich liebte ihn noch, als er zu mir trat, ein Bote des Himmels, mich zu versöhnen mit der ewigen Macht; und diese Liebe, nur diese Liebe war mein Verbrechen!« –
    Viele, sehr viele hätten die Marquise nicht verstanden. Auch die Duchesse verstand sie nicht und war nicht wenig betreten, den Parisern keine andere Nachricht von der Marquise mitbringen zu können, als daß sie, weit entfernt, in das bunte Gewühl der Welt zurückzukehren, ihre Tage in einem Kloster zubringen wolle.
    Diesen Entschluß führte die Marquise auch wirklich aus, ohne daß sie zu bewegen gewesen, den Marquis wiederzusehen. Auch Charost sprach sie nicht mehr, der im Glanze seiner Unschuld und Frömmigkeit zurückkehrte in die Abtei zu Miseray.
    Der Marquis de la Pivardiere nahm wieder Kriegsdienste und fand bald in einem Gefecht mit Schleichhändlern seinen Tod.
    [ Δ ]
Die Irrungen
    Fragment aus dem Leben eines Fantasten
Verloren und Gefunden
    In dem zweiundachtzigsten Stück der »Haude- und Spenerschen Zeitung« vom Jahre 18- befand sich folgende Aufforderung:
    »Derjenige junge schwarz gekleidete Mann mit braunen Augen, braunem Haar und etwas schief verschnittenem Backenbart, welcher vor einiger Zeit im Tiergarten auf einer Bank unfern der Statue des Apollo eine kleine himmelblaue Brieftasche mit goldnem Schloß gefunden und wahrscheinlich geöffnet hat, wird, da man weiß, daß er in Berlin nicht heimisch ist, ersucht, sich am vierundzwanzigsten Julius des

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