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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E.T.A. Hoffmann
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zu Chatillon hielt die Zusammenstellung der Marquise mit Charost für nötig. Die Marquise erschien vor den Schranken, mit der Ruhe und Fassung, die sie stets behauptet; als aber Charost hineingeführt wurde, da stürzte sie ganz jammer- und verzweiflungsvoll ihm zu Füßen und schrie mit einer Stimme, die das Herz zerschnitt: »Mein Vater – mein Vater! – warum straft mich der Himmel so schrecklich? – Gibt es droben eine Seligkeit, die diese Qualen wegtilgt? – Ihr meinethalben des scheußlichsten Verbrechens angeklagt? – Ihr meinethalben zum schmachvollen Tode geführt? – Aber nein, nein! – Es wird, es muß ein Wunder geschehen! – Auf der Richtstätte öffnet sich über Euch die Glorie des Himmels – verklärt steigt Ihr empor, alles Volk sinkt anbetend nieder.« – »Beruhigt Euch,« sprach Charost, indem er sich bemühte, die Marquise aufzurichten, »beruhigt Euch, Frau Marquise! Es ist eine harte Prüfung, die der Himmel über uns verhängt. Sagt nicht, daß ich Eurenthalben sterbe, nein! nur ein gleiches Geschick bringt uns vielleicht beiden den Tod. Seid Ihr denn nicht ebenso frei von Schuld, als ich?«
    »Nein nein,« rief die Marquise heftig, »nein, nein, ich sterbe schuldig. O mein Vater! Ihr hattet recht, weltliche Rache ergreift die Verbrecherin!«
    Das Gericht glaubte in diesen Worten der Marquise ein Geständnis der Tat zu finden und drang aufs neue in sie, nun nicht länger mit der Wahrheit zurückzuhalten, die ihr sonst die Marter der Tortur entreißen müsse.
    Da wiederholte die Marquise, indem sie plötzlich Fassung und Ruhe gewonnen, daß sie an der Tat unschuldig sei, daß sie auch keine Ahnung davon habe, auf welche Weise der Marquis spurlos verschwunden.
    Charost beteuerte ebenfalls in den rührendsten Ausdrücken, daß die Marquise ebenso frei von Schuld sei, als er selbst, und daß, wenn sie sich vielleicht in anderer Hinsicht schuldig fühle, er ein Vergehen ahne, das keiner weltlichen Rüge unterliegen könne.
    Auch diese Äußerung des Geistlichen fand das Gericht sehr zweideutig und verdächtig. Man beschloß, zur Tortur zu schreiten.
    Die Marquise, im Entsetzen verstummt, schien ein lebloses Bild; Charost erklärte, daß, wenn irdische Schwachheit so viel über ihn vermögen könne, daß er irgendeine Untat gestehen sollte, er im voraus dies Geständnis, welches ihm die Qual entrissen, als falsch widerrufen müsse.
    Beide, die Marquise und Charost, sollten abgeführt werden; da entstand draußen ein Geräusch, die Türen des Gerichtssaals öffneten sich, und herein trat – der ermordet geglaubte Marquis de la Pivardiere!
    Nachdem er einen flüchtigen Blick auf die Marquise und Charost geworfen, trat er vor die Schranken und erklärte den Richtern, wie er glaube, nicht besser dartun zu können, daß er nicht ermordet, indem er sich dem Gericht persönlich darstelle.
    Zu gleicher Zeit überreichte er einen von dem Richter zu Romorantin aufgenommenen Akt, nach welchem er von mehr als zweihundert Personen wirklich für den Marquis de la Pivardiere anerkannt worden war. Am Fest des heiligen Antonius war er, gerade während der Vesper, in die Kirche zu Jeu getreten, und seine Erscheinung hatte die ganze Gemeinde in Schrecken gesetzt, da alle auf den ersten Blick den ermordet geglaubten Marquis de la Pivardiere erkannten und ein Gespenst zu sehen meinten. Außerdem hatten die Augustiner zu Miseray sowie die Amme seiner Tochter bezeugt, daß er wirklich kein anderer sei, als der Marquis.
    Von den Richtern dazu aufgefordert, erzählte er die Art, wie er aus dem Schlosse verschwunden, auf das genaueste.
    Vor Unruhe und Bestürzung konnte der Marquis in jener verhängnisvollen Nacht nicht einschlafen. Auf den Glockenschlag zwölf Uhr hörte er an das Tor des Schlosses pochen und eine bekannte Stimme rufen: »Herr Marquis – Herr Marquis – öffnet, wir kommen Euch zu retten, aus einer Gefahr, die Euch droht!« Er stand auf und fand vor der Türe den François Marsau aus Jeu mit zwei Männern, von denen der eine mit einer Flinte, der andere aber mit einem Säbel bewaffnet war. Marsau sagte dem Marquis, daß bei ihm Gerichtsdiener eingekehrt wären, die den Befehl hätten, ihn auf Anlaß einer von der Pillard wegen Eheversprechens erhobenen Klage zu verhaften, und daß nur schleunige Flucht ihn retten könne.
    Der Marquis, aufgeregt durch den Vorfall am Abende, sah sich verloren; er mußte strenge Strafe befürchten wegen des Attentats doppelter Ehe; er sah sich verlassen,

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