Werke
ausgestoßen von der Marquise und entschloß sich, auf der Stelle zu fliehen. Sein Pferd war lahm; der Mantel, die Reitstiefeln, seine Pistolen, alles dies konnte seine schnelle Flucht nur hindern. Zu Fuße folgte er dem Marsau und den beiden Männern, die ihn gegen jeden Angriff zu schützen versprachen. Er kam glücklich durch Jeu und in Sicherheit. Noch in dem Zimmer, als der Marquis beschäftigt war, das Notwendigste einzupacken, ging dem einen der Männer das Gewehr los; der Marquis hörte Tritte nahen, und die Türe des Zimmers wurde geöffnet. Der Marquis schlug sie aber wieder zu und floh, als es im Schlosse wieder ruhig geworden. Rastlos schwärmte der Marquis im Lande umher, ohne einen Aufenthalt finden zu können, wo er sich sicher glaubte. Auf diesen Streifereien kam er nach Flavigny, und hier erst erfuhr er, daß die Marquise und Charost angeklagt worden, ihn ermordet zu haben. Von dieser Nachricht erschüttert, beschloß er, zurückzukehren in die Heimat und so, die eigne Gefahr nicht achtend, die abscheuliche Anklage zu widerlegen. Auch konnte er wohl glauben, daß sich nun sein Verhältnis mit der Marquise, wenn sie durch ihn der Schmach und dem Tode entronnen, ganz anders gestalten werde. Nicht fern von dem Schlosse Nerbonne traf er auf Bonnet, wie er nach dem Leichnam des Marquis nachgraben ließ. Der Marquis rief ihm zu, daß er nicht nötig habe, den unter der Erde zu suchen, der noch über der Erde wandle, und forderte ihn auf, einen Akt aufzunehmen über sein Erscheinen. Statt dessen warf sich aber Bonnet aufs Pferd und floh, so schnell er konnte. Der Gerichtsschreiber folgte seinem Beispiel, und nur die beiden Bauern aus Nerbonne, die Bonnet mitgenommen, um zu graben, hielten Stich und erkannten ihren Herrn. Als der Marquis zu seinem Schreck, zu seinem Entsetzen statt des Schlosses Nerbonne eine Ruine fand, begab er sich nach Jeu, besorgte zu Romorantin den Akt seines Anerkenntnisses und kam dann nach Chatillon, um sich dem Gerichte darzustellen.
Man hätte denken sollen, daß die Rückkehr des Marquis der ganzen Anklage der Marquise und ihres Beichtvaters hätte ein Ende machen müssen; dies war aber nicht der Fall und konnte nicht der Fall sein. Außerdem, daß die Aussagen der beiden Mädchen noch in ihrer Kraft blieben, so trug auch die Erzählung des Marquis viel Unwahrscheinliches in sich; vorzüglich schien aber das Benehmen der Marquise gar befremdend. Ohne Überraschung oder Erstaunen zu zeigen, betrachtete sie den angeblichen Marquis mit durchdringendem Blick, und ein bittres, verhöhnendes Lächeln ließ besondere Dinge ahnen, die in ihrer Seele vorgingen. Man konnte glauben, daß sie das Erscheinen einer Person, die den Marquis de la Pivardiere spielen sollte, vorher gewußt, und daß sie nur gespannt war, wie die Figur, die freilich, was Ansehn, Sprache, Gang, Stellung betrifft, ganz der Marquis schien, ihre Rolle spielen würde.
Anders hatte sich Charost benommen, der, sowie der angebliche Marquis eintrat, mit gefalteten Händen den Blick gen Himmel erhob und zu beten schien.
Das Gericht ließ die Marquise nebst Charost ins Gefängnis zurückführen und beschloß durch die strengste, genaueste Untersuchung rücksichts des angeblichen Marquis de la Pivardiere die Wahrheit zu erforschen, unerachtet jener Akt des Richters zu Romorantin die Sache zu entscheiden schien.
Noch in frischem Andenken war ein Betrüger, der, die auffallende Ähnlichkeit mit einem gewissen Martin Guere nutzend, sich für diesen ausgab und drei Jahre hindurch eine ganze Stadt, ja selbst Frau und Kinder des Guere täuschte, bis dieser selbst zurückkam und so sich der Betrug offenbarte, den der Verbrecher mit dem Tode büßte.
Man fing damit an, den angeblichen Marquis den beiden verhafteten Mägden, der Mercier und der Lemoine, vorzustellen, die beide einstimmig behaupteten, daß die ihnen vorgestellte Person keineswegs der Marquis de la Pivardiere sei, wiewohl er große Ähnlichkeit mit demselben habe. Neuer Verdachtsgrund wider die Marquise und Charost! –
Es würde ermüdend sein, all die Maßregeln zu erwähnen, die das Gericht nun noch nahm, um zu erforschen, inwiefern die Person, die so unerwartet als Marquis de la Pivardiere aufgetreten, wirklich derselbe sei. Es genügt, die entscheidende Ausmittelung zu erwähnen, welche zu Valence erfolgte. Hier lebten in dem Kloster der Ursuliner-Nonnen zwei Schwestern des Marquis, und auch die Äbtissin des Klosters hatte ihn von frühester Jugend auf
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