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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E.T.A. Hoffmann
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dastand und nicht wußte, was ich sagen, was ich denken sollte, wieder zurück, indem er sprach: »Laß uns dort auf jenem abgehauenen Baumstamm Platz nehmen, denn es sind mehr als zwei Worte, die ich dir zu sagen habe.
    Du bist ja in dem Hause des Geheimenrats von S... bekannt. Du besuchst seine großen Tees, wo sich hundert Personen die Köpfe zerstoßen, hin und her rennend, ohne daß ein einziger weiß, was er eigentlich will, in denen ein langweiliges, insipides Gespräch, kaum genährt von den kärgsten Mitteln, durchhilft, bis es doch am Ende, nachdem die unglücklichen Bedienten, von allen Seiten gedrängt, mehrere honette Personen mit Wein begossen und diverse Torten dagegen unversehrt die Runde gemacht haben, dennoch eines schmählichen Todes stirbt.«
    »Wart’,« unterbrach ich den Doktor, »wart’, daß dich Lästerzunge nicht die Frau von H... hört und dich aus Rache, weil sie selbst an ihre Tees denken muß, bei der Frau von S... verklagt, die sofort den Bann über dich aussprechen und dich von ihren Tees gänzlich exkludieren würde. Und wer eilt denn, als hinge das Glück des Lebens davon ab, zu jedem dieser insipiden Tees? Wer benutzt sorglich jede Gelegenheit, das S... sche Haus zu besuchen? – Ei, ei, mein Freund, ich merke was, die schöne Wilhelmine –«
    »Lassen wir das,« sprach der Doktor, »und merken wir, daß dort im Wagen sich Personen befinden, die auf das Ende unsers Gesprächs nur zu begierig warten. Mit zwei Worten, die Familie des Geheimenrats von S... ist seit undenklicher Zeit eine durchaus hochadelige; kein einziges Glied, vorzüglich männlicherseits, war aus der Art geschlagen. Um so entsetzlicher mußte es dem Vater des Herrn Geheimenrats von S... sein, als sein jüngster Sohn, Siegfried geheißen, wirklich der erste war, der aus der Art schlug. Alles künstliche Überbauen half nicht; ein tiefes, herrliches Gemüt machte sich Platz, selbst unter den hochadeligen Gemütern. Man spricht allerlei. Viele sagen, Siegfried habe wirklich an einer Geisteskrankheit gelitten; ich kann es nicht glauben. – Genug, der Vater hielt ihn eingesperrt, und nur des Tyrannen Tod gab ihm die Freiheit.
    Dies ist nun der Onkel Siegfried, den du in der Gesellschaft bemerkt haben mußt, wie er mit diesem oder jenem Gelehrten, den er aufgesucht und gefunden, geistreiche Worte wechselt. Die vornehmen Herren behandeln ihn zuweilen sichtlich als bloß toleriert, welches er ihnen in solch reichlichem Maße erwidert, daß sie besser täten, davon abzustehen. Wahr ist es, daß er sich zuweilen, vorzüglich wenn sein Geist auf Dinge geriet, in denen man guttut, die alte Mönchsphilosophie zu befolgen, nach welcher es ratsam, die Welt gehen zu lassen, wie sie geht, und von dem Herrn Prior nichts zu reden als Gutes, viel zu sehr von dem Feuer wahrhaftiger Überzeugung hinreißen läßt, so daß die diplomatischen Herren nicht selten mit angekniffenen Ohren und zugedrückten Augen erschrocken in die entferntesten Winkel des Saales fliehen. Niemand als Fräulein Wilhelmine wußte ihn dann so geschickt zu umkreisen, daß er sich stets nur bei den vertrautesten Freunden befand und sehr bald den Saal verließ.
    Vor einigen Monaten wurde der arme alte Onkel Siegfried von einer schweren Nervenkrankheit befallen, aus der ihm eine fixe Idee zurückblieb, die, da sie feststeht, nachdem der Körper gesund ist, in wirklichen Wahnsinn ausgeartet. Er bildete sich nämlich ein, die Natur, erzürnt über den Leichtsinn der Menschen, die ihre tiefere Erkenntnis verschmähten, die ihre wunderbaren, geheimnisvollen Arbeiten nur für ein reges Spiel zu kindischer Lust auf dem armseligen Tummelplatz ihrer Lüste hielten, habe ihnen zur Strafe das Grün genommen. In ewige schwarze Nacht sei nun der sanfte Schmuck des Frühlings, die sehnsüchtige Hoffnung der Liebe, das Vertrauen der wunden Brust, wenn der junge Sonnengott die zarten Keime aus ihren Wiegen lockt, daß sie als fröhliche Kinder emporsprossen und grünen – grüne Büsche und Bäume werden, im Flüstern und Rauschen die Liebe der Mutter, die sie selbst an ihrer Brust nährt und pflegt, mit süßer Stimme preisend.
    Dahin ist das Grün, dahin die Hoffnung, dahin alle Seligkeit der Erde; denn verschmachtend, weinend verschwimmt das Blau, das alles mit liebenden Armen umschloß. Alle Mittel, dieser Idee zu widerstehen, blieben vergebens, und du kannst denken, daß der Alte der trostlosen, verderblichen Hypochondrie, welche natürlicherweise diese Idee mit sich

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