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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E.T.A. Hoffmann
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neue sang:
    »In der grünen etc.«
    schlug der Alte die Augen auf und schaute nun mit bestimmtem Blick in der Gegend umher. »Ha,« sprach er dann mit ungewisser Stimme, »in der Tat, dieser Traum neckt mich auf besondere Weise.«
    Es lag etwas von bitterm Hohn in den Worten des Alten, der nach dem, was vorausgegangen, um so entsetzlicher erschien. Tief ergriffen, stürzte Fräulein Wilhelmine bei der Rasenbank nieder, faßte beide Hände des Alten, benetzte sie mit Tränen und rief mit der schmerzlichsten Wehmut: »O! mein teuerster, bester Onkel, nicht jetzt neckt Sie ein Traum, nein, ein böses – böses Gespenst hielt Sie in entsetzlichen Träumen, wie in schweren Ketten gefangen. O Himmelsfreude! die Ketten sind gesprengt – Sie haben, bester, teuerster Vater, Ihre Freiheit wieder; o! glauben, glauben Sie daran, das heitere, rege Leben lacht Sie an mit aller süßen Hoffnung, im schönsten Schmelz des Grüns!«
    »Grün!« rief der Alte mit dröhnender Stimme, indem er starrer um sich schaute. Nach und nach schien er die Gegenstände bestimmter zu unterscheiden und seinen Blick besonders auf gewisse Bäume und Büsche zu heften.
    »Onkel Siegfried hat,« lispelte mir der Doktor ins Ohr, »Onkel Siegfried hat diesen Ort schon seit vielen Jahren besonders geliebt und in tiefer Einsamkeit besucht. Vorzüglich mag der wunderbare Baum auch seinen Hang zu wunderlichen Kombinationen naturhistorischer Erscheinungen geweckt und ihn dieser romantische Platz auch von der Seite besonders interessiert haben.«
    Noch immer saß der Alte, um sich schauend; doch immer weicher und weicher und wehmütiger wurde sein Blick, bis ein Tränenstrom ihm aus den Augen stürzte. Er faßte mit der Rechten Wilhelminens, mit der Linken des Doktors Hand und zog sie heftig neben sich auf die Rasenbank nieder.
    »Seid ihr es, Kinder!« rief er dann mit einer Stimme, deren Seltsamkeit, beinahe Schauer erregend, ein unheimlich verstörtes Gemüt zu verkünden schien, welches sich selbst bekämpft und zu sammeln versucht, »seid ihr es wirklich, meine Kinder?«
    »O! mein bester gütigster Onkel,« sprach Wilhelmine beschwichtigend, »ich halte Sie ja in meinen Armen. Sie sind ja hier an einem Platz des Waldes, den Sie stets so liebten – Sie sitzen ja unter dem selt –«
    Auf einen Wink des Doktors stockte Wilhelmine und fuhr dann nach beinahe unmerklicher Pause fort, den Lindenzweig erhebend: »und dieses Zeichen des Friedens, halten Sie es jetzt nicht in Händen, teuerster Onkel?«
    Der Alte drückte den Zweig an seine Brust und schaute mit Blicken umher, die jetzt erst Lebenskraft und eine gewisse unnennbare, verklärte Heiterkeit zeigten. Der Kopf sank ihm auf die Brust, und er sprach viele leise Worte, die jedem der Umstehenden unverständlich blieben. Dann aber sprang er mit wilder Vehemenz von der Rasenbank auf, breitete beide Arme aus und rief, daß der Wald von dem Tone seiner Stimme widerhallte:
    »Gerechte, ewige Macht des Himmels, bist du es selbst, die mich an ihre Brust ruft? Ja, es ist das herrliche, rege Leben, das mich umgibt, das meiner Brust zuströmt, so daß alle Poren sich öffnen und Raum geben dem seligsten Entzücken!
    O! Kinder, Kinder, welche Zunge singt das Lob, den Preis der Mutter würdig genug! O! Grün, Grün! mein mütterliches Grün! Nein, ich allein war es, der trostlos vor dem Throne des Höchsten lag – nie hast du der Menschheit gezürnt! Nimm mich auf in deine Arme!«
    Es war, als wollte der Alte rasch vorwärts schreiten, doch knickte er im jähen Krampf zusammen und sank leblos nieder. Alle erschraken heftig; keiner aber wohl mehr als der Doktor, der befürchten mußte, daß seine gewagte Kur auf entsetzliche Weise mißlingen könne. Doch nur wenige Sekunden war der Alte mit Naphtha und Äther bedient worden, als er die Augen wieder aufschlug. Und nun begab sich das Merkwürdigste, was niemand, und am allerwenigsten der Doktor, hatte vermuten können.
    Von Wilhelminen und dem Doktor umfaßt, ließ der Alte sich auf dem schönen Platze herumführen, und immer ruhiger, immer heiterer wurde sein Antlitz, sein ganzes Benehmen, und es war herrlich, wie eine klare Phantasie, ein heller Verstand immer mehr siegend hervorbrach.
    Auch mich bemerkte der Baron und zog mich ins Gespräch. Endlich fand der Baron, daß für die erste Ausfahrt nach so langer Nervenkrankheit nun genug Zeit vergangen, und man begab sich auf den Rückweg.
    »Es wird schwer halten,« sprach der Doktor leise zu mir, »den Schlaf von

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