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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E.T.A. Hoffmann
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der wahren praktischen Einsicht erleuchtet werde. Er belehrte mich über die wahren Tendenzen der Malerei und der Musik, über die Bedingnisse des Gemäldes, der Oper. – Ich erfuhr viel von Kolorit, Draperie, Pyramidalgruppen, von ernster und komischer Musik, von Szenen für die Primadonna, von Chören, vom Effekt, vom Helldunkel, der Beleuchtung u.s.w. Ich hörte alles an, ohne den Fürsten, der sich in dieser Unterhaltung recht zu gefallen schien, zu unterbrechen. Endlich schnitt er selbst seine Rede ab mit der schnellen Frage: »Spielen Sie Pharo?« – Ich verneinte es. »Das ist ein herrliches Spiel,« fuhr er fort, »in seiner hohen Einfachheit das wahre Spiel für geistreiche Männer. Man tritt gleichsam aus sich selbst heraus, oder besser, man stellt sich auf einen Standpunkt, von dem man die sonderbaren Verschlingungen und Verknüpfungen, die die geheime Macht, welche wir Zufall nennen, mit unsichtbarem Faden spinnt, zu erblicken imstande ist. Gewinn und Verlust sind die beiden Angeln, auf denen sich die geheimnisvolle Maschine bewegt, die wir angestoßen und die nun der ihr einwohnende Geist nach Willkür forttreibt. – Das Spiel müssen Sie lernen, ich will selbst Ihr Lehrmeister sein.« – Ich versicherte, bis jetzt nicht viel Lust zu einem Spiel in mir zu spüren, das, wie mir oft versichert worden, höchst gefährlich und verderblich sein solle. – Der Fürst lächelte und fuhr, mich mit seinen lebhaften klaren Augen scharf anblickend, fort: »Ei, das sind kindische Seelen, die das behaupten, aber am Ende halten Sie mich wohl für einen Spieler, der Sie ins Garn locken will. – Ich bin der Fürst; gefällt es Ihnen hier in der Residenz, so bleiben Sie hier und besuchen Sie meinen Zirkel, in dem wir manchmal Pharo spielen, ohne daß ich zugebe, daß sich irgend jemand durch das Spiel derangiere, unerachtet das Spiel bedeutend sein muß, um zu interessieren, denn der Zufall ist träge, sobald ihm nur Unbedeutendes dargeboten wird.« Schon im Begriff, mich zu verlassen, kehrte der Fürst sich noch zu mir und frug: »Mit wem habe ich aber gesprochen?« – Ich erwiderte, daß ich Leonard heiße und als Gelehrter privatisiere, ich sei übrigens keinesweges von Adel und dürfe vielleicht daher von der mir angebotenen Gnade, im Hofzirkel zu erscheinen, keinen Gebrauch machen. »Was Adel, was Adel,« rief der Fürst heftig, »Sie sind, wie ich mich überzeugt habe, ein sehr unterrichteter, geistreicher Mann. – Die Wissenschaft adelt Sie und macht Sie fähig, in meiner Umgebung zu erscheinen. Adieu, Herr Leonard, auf Wiedersehen!« – So war denn mein Wunsch früher und leichter, als ich es mir gedacht hatte, erfüllt. Zum erstenmal in meinem Leben sollte ich an einem Hofe erscheinen, ja, in gewisser Art selbst am Hofe leben, und mir gingen all die abenteuerlichen Geschichten von den Kabalen, Ränken, Intrigen der Höfe, wie sie sinnreiche Roman- und Komödienschreiber aushecken, durch den Kopf. Nach Aussage dieser Leute mußte der Fürst von Bösewichtern aller Art umgeben und verblendet, insonderheit aber der Hofmarschall ein ahnenstolzer abgeschmackter Pinsel, der erste Minister ein ränkevoller habsüchtiger Bösewicht, die Kammerjunker müssen aber lockere Menschen und Mädchenverführer sein. – Jedes Gesicht ist kunstmäßig in freundliche Falten gelegt, aber im Herzen Lug und Trug; sie schmelzen vor Freundschaft und Zärtlichkeit, sie bücken und krümmen sich, aber jeder ist des andern unversöhnlicher Feind und sucht ihm hinterlistig ein Bein zu stellen, daß er rettungslos umschlägt und der Hintermann in seine Stelle tritt, bis ihm ein gleiches widerfährt. Die Hofdamen sind häßlich, stolz, ränkevoll, dabei verliebt und stellen Netze und Sprenkeln, vor denen man sich zu hüten hat wie vor dem Feuer! – So stand das Bild eines Hofes in meiner Seele, als ich im Seminar so viel davon gelesen; es war mir immer, als treibe der Teufel da recht ungestört sein Spiel, und unerachtet mir Leonardus manches von Höfen, an denen er sonst gewesen, erzählte, was zu meinen Begriffen davon durchaus nicht passen wollte, so blieb mir doch eine gewisse Scheu vor allem Höfischen zurück, die noch jetzt, da ich im Begriff stand, einen Hof zu sehen, ihre Wirkung äußerte. Mein Verlangen, der Fürstin näher zu treten, ja eine innere Stimme, die mir unaufhörlich wie in dunklen Worten zurief, daß hier mein Geschick sich bestimmen werde, trieben mich unwiderstehlich fort, und um die bestimmte Stunde befand

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