Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)
Sie sie ihm alle.«
»Wie alle? Alle Bände?«
»Nun ja, alle Bände.«
»Und das von mir, von meiner Seite?«
»Ja, von Ihrer Seite.«
»Ganz allein von mir? Das heißt, in meinem Namen?«
»Nun ja doch, versteht sich, in Ihrem Namen.«
Ich glaube, daß ich mich deutlich genug ausdrückte, doch es dauerte eine Zeitlang, bis der Alte mich begriff.
»Na ja,« sagte er schließlich nachdenklich, »ja! – das würde sehr gut sein, wirklich sehr gut, aber wie bleibt es dann mit Ihnen, Warwara Alexejewna?«
»Ich werde dann einfach nichts schenken.«
»Wie!« rief der Alte fast erschrocken, »Sie werden Petinka nichts schenken? Sie wollen ihm kein Geschenk machen?«
Ich bin überzeugt, daß der Alte in diesem Augenblickim Begriff war, das Angebot zurückzuweisen, nur damit auch ich seinem Sohne etwas schenken könne. Er war doch ein herzensguter Mensch, dieser Alte!
Ich versicherte ihm zugleich, daß ich ja sehr gern schenken würde, nur wolle ich ihm die Freude nicht schmälern.
»Und wenn Ihr Sohn mit dem Geschenk zufrieden sein wird,« fuhr ich fort, »und Sie sich freuen werden, dann werde auch ich mich freuen.«
Damit gelang es mir, den Alten zu beruhigen. Er blieb noch ganze zwei Stunden bei uns, vermochte aber in dieser Zeit keine Minute lang ruhig zu sitzen: er erhob sich, ging umher, sprach lauter als je, tollte mit Ssascha umher, küßte heimlich meine Hand, und schnitt Gesichter hinter Anna Fedorownas Stuhl, bis diese ihn endlich nach Hause schickte. Kurz, der Alte war rein aus Rand und Band vor lauter Freude, wie er es bis dahin vielleicht in seinem ganzen Leben noch nicht gewesen war.
Am Morgen des feierlichen Tages erschien er pünktlich um elf Uhr, gleich von der Frühmesse aus, erschien in anständigem, ausgebessertem Rock und tatsächlich in neuen Stiefeln und mit neuer Weste. In jeder Hand trug er ein Bündel Bücher – Matrjona hatte ihm dazu zwei Servietten geliehen. Wir saßen gerade alle bei Anna Fedorowna und tranken Kaffee (es war ein Sonntag). Der Alte begann, glaube ich, damit, daß Puschkin ein sehr guter Dichter gewesen sei; davon ging er, übrigens nicht ohne gewisse Unsicherheit und Verlegenheit und mehr als einmal stockend, aber doch ziemlich plötzlich, auf ein anderes Thema über, nämlichdarauf, daß man sich gut aufführen müsse: wenn der Mensch das nicht tue, so sei das ein Zeichen, daß er »dumme Streiche mache«. Schlechte Neigungen hätten eben von jeher den Menschen herabgezogen und verdorben. Ja, er zählte sogar mehrere abschreckende Beispiele von Unenthaltsamkeit auf, und schloß damit, daß er selbst sich seit einiger Zeit vollkommen gebessert habe und sich jetzt musterhaft aufführe. Er habe auch früher schon die Richtigkeit der Lehren seines Sohnes erkannt und sie schon lange innerlich beherzigt, jetzt aber habe er begonnen, sich auch in der Tat aller schlechten Dinge zu enthalten und so zu leben, wie er es seiner Erkenntnis gemäß für richtig halte. Zum Beweis aber schenke er hiermit die Bücher, für die er sich im Laufe einer langen Zeit das nötige Geld zusammengespart habe.
Ich hatte Mühe, mir die Tränen und das Lachen zu verbeißen, während der arme Alte redete. So hatte er es doch verstanden, zu lügen, sobald es nötig war!
Die Bücher wurden sogleich feierlich in Pokrowskijs Zimmer gebracht und auf dem Bücherbrett aufgestellt. Pokrowskij selbst hatte natürlich sofort die Wahrheit erraten.
Der Alte wurde aufgefordert, zum Mittagessen zu bleiben. Wir waren an diesem Tage alle recht lustig. Nach dem Essen spielten wir ein Pfänderspiel und dann Karten. Ssascha tollte und war so ausgelassen wie nur je, und ich stand ihr in nichts nach. Pokrowskij war sehr aufmerksam gegen mich und suchte immer nach einer Gelegenheit, mich unter vier Augen zu sprechen, doch ließ ich mich nicht einfangen. Daswar der schönste Tag in diesen vier Jahren meines Lebens!
Jetzt, von ihm ab, kommen nur noch traurige, schwere Erinnerungen, jetzt beginnt die Geschichte meiner dunklen Tage. Wohl deshalb will es mir scheinen, als ob meine Feder langsamer schreibe, als beginne sie, müde zu werden und als wolle es nicht gut weiter gehen mit dem Erzählen. Deshalb habe ich wohl auch so ausführlich und mit so viel Liebe alle Einzelheiten meiner Erlebnisse in jenen glücklichen Tagen meines Lebens beschrieben. Sie waren ja so kurz, diese Tage. So bald wurden sie von Kummer, von schwerem Kummer verdrängt, und nur Gott allein mag wissen, wann der einmal ein Ende nehmen
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