Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)
angeborene natürliche Liebenswürdigkeit und Grazie gehört, mit der Madame Leroux den Ausbruch von Wassjas Begeisterung hinnahm. Sie verzieh ihm. Und wie geschickt, wie graziös fand sie sich in die Situation! Wie könnte man auch Wassja zürnen?
»Madame Leroux, wie hoch ist der Preis?«
»Fünf Silberrubel,« antwortete sie, sich ihre Frisur in Ordnung bringend und wieder lächelnd.
»Und dieses da, Madame Leroux?« fragte Arkadij Iwanowitsch, auf das von ihm gewählte Häubchen weisend.
»Dieses kostet acht Silberrubel.«
»Erlauben Sie einmal, erlauben Sie einmal! Sie werden doch zugeben, Madame Leroux ... Nun welches Häubchen ist nach Ihrer Meinung schöner, graziöser, liebenswürdiger, welches sieht Ihnen ähnlicher?«
»Jenes ist etwas reicher, doch das von Ihnen Gewählte – c'est plus coquet.«
»Also nehmen wir dieses!«
Madame Leroux schlug das Häubchen in einen Bogen unendlich feinen Seidenpapiers ein, das sie mit einer Nadel zusammensteckte, und das Papier mit dem darin eingewickelten Häubchen schien nun leichter geworden zu sein, als es vorher ohne Häubchen gewesen war. Wassja nahm das Paket mit verhaltenem Atem, sehr vorsichtig in die Hand, verabschiedete sich von Madame Leroux, sagte ihr noch etwas höchst Liebenswürdiges und verließ den Laden.
»Ich bin ein Lebemann, Arkascha, ich bin zum Lebemann geboren!« schrie Wassja lachend. Er lachte wie in einem Krampfe, nervös und kaum hörbar. Dabei wich er den Passanten aus, denn er hatte sie alle ohne Ausnahme im Verdacht, ihm sein kostbares Häubchen zerknüllen zu wollen.
»Höre einmal, Arkadij, höre!« begann er eine Minute später, und eine große Feierlichkeit, eine unsagbare Liebesseligkeit klang aus seiner Stimme. »Arkadij, ich bin so glücklich, so glücklich!«
»Wassinka, und wie glücklich bin ich, mein Lieber!«
»Nein, Arkascha, nein! Deine Liebe zu mir ist grenzenlos, – ich weiß es, doch du kannst nicht auch den zehnten Teil von dem empfinden, was ich jetzt empfinde. Mein Herz ist so übervoll!! Arkascha, ich bin ja meines Glückes gar nicht wert! Ich fühle es, ich ahne es. Womit habe ich es verdient,« sagte er mit tränenerstickter Stimme, »was habe ich geleistet, das mir ein Recht darauf gibt? Sage es mir nur! Sieh nur hin, wieviel Menschen es gibt, wieviel Tränen, wieviel Kummer, wieviel grauen Alltag ohne Feste! Und ich! Ich werde von einem solchen Mädchen geliebt, ich ... Doch du wirst sie gleich selbst sehen, wirst ihr edles Herz selbst kennen lernen. Ich bin von niedriger Herkunft, doch jetzt habe ich einen Beamtenrang und ein unabhängiges Einkommen – mein Gehalt. Ich bin mit einem Gebrechen auf die Welt gekommen: ich bin etwas schief gewachsen. Und siehe: sie liebt mich so wie ich bin. Julian Mastakowitsch war heute so zärtlich, so aufmerksam, so höflich zu mir; er spricht ja sonst fast nie mit mir; heute ging er aber auf mich zu und sagte: ›Nun, Wassja,‹ (bei Gott: er sprach mich mit Wassja an), ›du wirst wohl in den Feiertagen ordentlich bummeln?‹ (Und dabei lachte er!)
Und ich sagte ihm: ›Exzellenz,‹ sagte ich, ›ich habe ja zu tun!‹ Doch dann faßte ich mir Mut und sagte: ›Vielleicht werde ich mich auch etwas amüsieren, Exzellenz!‹ Bei Gott, das sagte ich ihm. Er gab mir sofort Geld und richtete an mich noch einige Worte. Ich war, mein Lieber, so gerührt, daß mir Tränen in die Augen traten; er war anscheinend auch etwas gerührt; er klopfte mich auf die Schulter und sagte: ›Sei immer so dankbar und ergeben, wie du es jetzt bist, Wassja!‹«
Wassja verstummte für ein Weile. Arkadij Iwanowitsch wandte sich weg und wischte sich gleichfalls einige Tränen aus den Augen.
»Und dann noch etwas ...,« sagte Wassja fortfahrend. »Ich habe es dir ja noch niemals gesagt, Arkadij ... Arkadij! Du beglückst mich so sehr mit deiner Freundschaft, ohne dich könnte ich gar nicht leben, – nein, nein, widersprich mir nicht! Laß mich deine Hand drücken, laß mich dir danken ...« Wassja kam nicht weiter.
Arkadij Iwanowitsch wollte schon Wassja um den Hals fallen; da sie aber gerade die Straße überquerten und plötzlich dicht hinter ihren Ohren den warnenden Schrei eines Kutschers: »A – achtung!« hörten, liefen sie beide erregt und erschrocken, so schnell sie konnten, aufs Trottoir. Arkadij Iwanowitsch war über diesen Zwischenfall sogar froh. Er entschuldigte Wassjas Erguß von Dankbarkeit nur mit der ganz außergewöhnlich gehobenen Stimmung, in der sich dieser
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