Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)
auf und ab. Als er Arkadij Iwanowitsch erblickte, kam er gleichsam zur Besinnung und gab sich sichtbare Mühe, seine Aufregung zu verbergen. Er setzte sich stumm an den Schreibtisch. Er schien den Fragen seines Freundes ausweichen zu wollen, sie direkt zu fürchten. Er hatte wohl selbst irgendeinen Entschluß gefaßt und zugleich beschlossen, ihn auch vor Arkadij Iwanowitsch geheim zu halten, »da er sich auch auf die Freundschaft nicht mehr verlassen konnte.« Das wirkte auf Arkadij beinahe niederschmetternd, und sein Herz krampfte sich vor schwerem, bohrendem Schmerz zusammen. Er setzte sich auf das Bett, nahm irgendein Buch in die Hand, übrigens das einzige, das er besaß, wandte aber keinen Blick von dem armen Wassja. Dieser schwieg hartnäckig und schrieb, ohne vom Papier aufzublicken. So vergingen einige Stunden, und Arkadijs Seelenqualen steigerten sich auf das höchste. Endlich, gegen elf Uhr, hob Wassja den Kopf und sah Arkadij mit stumpfem, starrem Blicke an. Arkadij wartete. So vergingen einige Minuten. Wassja schwieg. – »Wassja!« rief Arkadij. Wassja gab keine Antwort. – »Wassja!« rief er noch einmal und sprang vom Bette. »Wassja, was ist mit dir? Was hast du?« schrie er auf und lief zu ihm zu. Wassja hob den Kopf und richtete auf ihn wieder den gleichen stumpfen und starren Blick. »Er hat den Starrkrampf!« sagte sich Arkadij, von Grauen gepackt. Er nahm die Wasserkaraffe, hob Wassja etwas vom Stuhle, goß ihm Wasser über den Kopf, benetzte seine Schläfen und rieb seine Hände in den seinigen; und Wassja kam zu sich. – »Wassja! Wassja!« schrie Arkadij. Tränen stürzten aus seinen Augen: er konnte sich nicht mehr beherrschen. »Wassja, richte dich nicht zugrunde! Denke doch nur an ... « Er sprach den Satz nicht zu Ende. Er hielt Wassja fest in seinen Armen. Wassjas Gesicht drückte einen schweren inneren Kampf aus; er rieb sich die Stirne, griff sich an den Kopf, als fürchtete er, daß er ihm zerspringen würde.
»Ich weiß nicht, was mit mir ist!« sagte er schließlich. »Ich glaube, ich habe mich überarbeitet. Gut, gut ... Höre auf, Arkadij, jammere nicht, höre auf!« wiederholte er immer wieder, ihn mit traurigen, müden Augen anblickend. »Was beunruhigst du dich? Höre doch auf!«
»Jetzt willst du mich gar trösten!« rief Arkadij aus, dessen Herz zerriß. – »Wassja,« sagte er schließlich, »lege dich hin, versuche etwas einzuschlafen, ja? Quäle dich nicht umsonst! Es ist besser, wenn du dich später wieder an die Arbeit machst!«
»Ja, ja!« sagte Wassja, »Gut! Ich lege mich hin ... Ja, gut ... Siehst du: ich wollte die Arbeit beenden, jetzt habe ich es mir anders überlegt, ja ... «
Und Arkadij schleppte ihn zu Bett.
»Höre, Wassja,« sagte er energisch, »mit der Sache muß man doch endlich ein Ende machen! Sage mir, was du beschlossen hast.«
»Ach!« erwiderte Wassja. Er winkte schwach mit der Hand und wandte den Kopf auf die andere Seite.
»Mut, Wassja! Entschließe dich! Ich will nicht dein Henker sein, ich kann nicht länger schweigen. Du wirst doch nicht einschlafen, ehe du einen Entschluß gefaßt hast, das weiß ich!«
»Wie du willst! Wie du willst!« wiederholte rätselhaft Wassja.
– Er wird schon nachgeben! – sagte sich Arkadij Iwanowitsch.
»Folge mir, Wassja,« sagte er. »Denke daran, was ich dir gesagt habe: morgen werde ich dich retten, morgen wird sich dein Schicksal entscheiden! Was sage ich – Schicksal! Du hast mir solche Angst gemacht, Wassja, daß ich nun auch mit deinen Worten spreche. Schicksal ist Unsinn! Du willst dir die Gewogenheit und meinetwegen auch die Liebe Julian Mastakowitschs erhalten, nicht wahr?! Du wirst sie dir auch erhalten, du wirst sehen ... Ich ...«
Arkadij Iwanowitsch könnte noch lange sprechen, doch Wassja unterbrach ihn. Er setzte sich im Bette etwas auf, umschlang stumm mit beiden Händen Arkadijs Hals und küßte ihn.
»Genug!« sagte er mit schwacher Stimme. »Genug! Genug davon!«
Und er kehrte seinen Kopf wieder zur Wand,
– Mein Gott! – sagte sich Arkadij – Was hat er nur? Er ist ja ganz von Sinnen. Was mag er beschlossen haben? Er wird sich ja zugrunde richten! –
Arkadij sah ihn ganz verzweifelt an.
– Wenn er doch ernsthaft erkranken würde, – dachte sich Arkadij – so wäre das vielleicht besser. Die Krankheit würde alle Sorgen verdrängen, und dann könnte man die ganze Angelegenheit sehr gut ordnen. Doch was für einen Unsinn rede ich? Ach, mein Gott ...
Wassja schien
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