Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)
daß es dein Wunsch ist, daß zum Beispiel ich, dein bester Freund, plötzlich ein Kapital von hunderttausend Rubeln besäße; daß alle Feinde, die es nur in der Welt gibt, sich ganz plötzlich ohne sichtbaren Grund aussöhnten, daß sie sich mitten auf der Straße vor Freude umarmten und dann vielleicht alle zu dir in die Wohnung zu Gast kämen. Mein lieber Freund! Ich spaße gar nicht, denn es ist so! Du hast mir schon oft genug ähnliche Bilder ausgemalt! Weil du glücklich bist, willst du, daß auch alle andern glücklich seien. Es ist für dich schwer und kränkend, allein glücklich zu sein! Darum bemühst du dich mit aller Kraft, dich deines Glückes würdig zu erweisen und willst zur Beruhigung deines Gewissens irgendeine Heldentat vollbringen! Nun, ich verstehe es sehr gut, daß du dich quälen mußt, wenn du bei irgendeiner Gelegenheit, wo es deinen Eifer, dein Können und, sagen wir einmal, deine Dankbarkeit zu zeigen gilt, es zu tun versäumst! Dich kränkt und bedrückt der Gedanke, daß Julian Mastakowitsch die Nase rümpfen und vielleicht auch wirklich böse werden wird, wenn er sieht, daß du die auf dich gesetzten Hoffnungen nicht erfüllt hast. Es ist dir bitter, daran zu denken, daß du vielleicht von dem, den du für deinen Wohltäter hältst, Vorwürfe zu hören bekommst, und das gerade in einem solchen Augenblick! In einem Augenblick, wo dein Herz von Freude überströmt, und du nicht weißt, auf wen du deine Dankbarkeit ergießen sollst ... Es ist doch so? Nicht wahr?« Arkadij Iwanowitsch sagte das mit bebender Stimme. Nun schwieg er und holte tief Atem.
Wassja blickte seinen Freund voller Liebe an. Ein Lächeln umspielte seine Lippen.
Sein Gesicht belebte sich sogar in Erwartung einer Hoffnung.
»Also höre, was ich dir sage,« fuhr Arkadij Iwanowitsch fort, von neuer Hoffnung begeistert. »Es ist doch nicht nötig, daß du Julian Mastakowitschs Gewogenheit verlierst. Es ist doch so, mein Lieber? Ist das nicht der Kernpunkt der Sache? Und wenn das wirklich der Kernpunkt ist, so will ich mich für dich opfern!« Arkadij Iwanowitsch sprang bei diesen Worten vom Stuhle auf. »Ich werde gleich morgen zu Julian Mastakowitsch gehen ... Widersprich mir nicht! Wassja, du machst aus deiner kleinen Nachlässigkeit ein Verbrechen. Julian Mastakowitsch ist aber großmütig und barmherzig, er ist auch ein ganz anderer Mensch als du! Er wird uns anhören und dir aus der Klemme helfen. Nun, bist du jetzt beruhigt?«
Wassja, dem die Tränen in den Augen standen, drückte Arkadijs Hand.
»Laß gut sein, Arkadij!« sagte er. »Es ist nun beschlossene Sache. Ich habe die Arbeit nicht fertig gemacht, – gut! Daran ist eben nichts zu ändern. Du brauchst gar nicht hinzugehen: ich will selbst zu ihm gehen und ihm alles erzählen. Ich bin jetzt ruhig, vollkommen ruhig. Du brauchst also nicht hinzugehen ... Höre nur ...«
»Wassja, teurer Wassja!« rief Arkadij Iwanowitsch freudig aus. »Ich habe ja nur deine eigenen Gedanken ausgesprochen. Ich freue mich, daß du nun zur Besinnung gekommen bist und dich beruhigt hast. Was mit dir auch geschehen wird, – ich bin immer bei dir, vergiß das nicht! Ich sehe, dich quält der Gedanke, daß ich mit Julian Mastakowitsch sprechen will. Gut, ich will mit ihm nicht sprechen, du wirst selbst mit ihm sprechen und ihm alles sagen. Siehst du, du mußt morgen zu ihm gehen ... Oder nein: du bleibst zu Hause und schreibst weiter, verstehst du mich? Und ich werde zu erfahren suchen, ob die Sache sehr dringend ist oder nicht, ob die Arbeit unbedingt zum Termin abgeliefert werden muß oder nicht, und was du riskierst, wenn du den Termin versäumst. Und dann komme ich sofort zu dir und berichte dir alles ... Du siehst also: schon gibt es eine Hoffnung! Stelle dir nur vor, daß die Sache gar nicht dringend ist, – dann hast du alles gewonnen! Es ist auch möglich, daß Julian Mastakowitsch das Ganze vergessen hat – dann bist du gerettet!« Wassja schüttelte zweifelnd den Kopf. Doch er blickte seinen Freund noch immer dankbar an.
»Nun gut! Ich bin so schwach, so matt,« sagte er, um Atem ringend. »Ich will auch selbst nicht mehr daran denken. Sprechen wir von etwas anderm! Ich werde jetzt sogar nicht mehr schreiben; höchstens nur noch zwei Seiten, bis ich zu einem neuen Absatz komme. Höre ... Ich wollte dich schon lange fragen: wieso kennst du mich so gut?«
Aus seinen Augen fielen Tränen auf Arkadijs Hände.
»Wenn du wüßtest, Wassja, wie sehr ich dich liebe,
Weitere Kostenlose Bücher