Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)

Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor Dostojewski
Vom Netzwerk:
inzwischen eingeschlummert zu sein. Arkadij Iwanowitsch freute sich darüber. – Ein gutes Zeichen! – sagte er sich. Er nahm sich vor, die ganze Nacht bei Wassjas Bette zu wachen. Wassja war aber sehr unruhig. Jeden Augenblick zuckte er zusammen, warf sich im Bette hin und her und schlug immer wieder die Augen auf. Die Müdigkeit nahm schließlich doch überhand, und er schlief scheinbar fest ein. Es war gegen zwei Uhr morgens. Arkadij Iwanowitsch nickte auf seinem Stuhle ein, den Ellenbogen auf den Tisch gestützt.
    Sein Schlaf war unruhig, und er hatte einen sonderbaren Traum. Ihm war es, als ob er nicht schliefe, während Wassja noch immer auf dem Bette läge. Doch seltsam! Es schien ihm, daß Wassja sich nur schlafend stellte, daß er ihn hinterginge und mit halbgeöffneten Augen belauerte, und sich schließlich zum Schreibtisch schliche. Ein brennender Schmerz durchzuckte Arkadij Iwanowitsch; es ärgerte ihn und war für ihn unerträglich, daß Wassja ihm mißtraute und sich vor ihm in acht nahm. Er wollte ihn packen, er wollte ihn anschreien und aufs Bett zurückschleppen ... Wassja schrie aber in seinen Armen laut auf, und Arkadij trug nur seine leblose Leiche aufs Bett. Kalter Schweiß trat ihm in die Stirne, und sein Herz klopfte entsetzlich. Er schlug die Augen auf und erwachte. Wassja saß nun wirklich vor dem Tische und schrieb.
    Arkadij wollte seinen Augen nicht trauen und sah auf das Bett: Wassja war nicht im Bett! Arkadij, der noch ganz im Banne seines Traumes war, sprang entsetzt auf. Wassja rührte sich nicht. Er schrieb weiter. Nun merkte Arkadij voller Entsetzen, daß Wassja mit trockener Feder über das Papier fuhr, unbeschriebene weiße Seiten umblätterte und sie in größter Hast mit unsichtbaren Zeilen füllte, so geschäftig, als ob seine Arbeit aufs beste vorwärts ginge!
    – Nein, das ist kein Starrkrampf! – sagte sich Arkadij Iwanowitsch und erzitterte an allen Gliedern. »Wassja, Wassja! Antworte mir doch!« schrie er auf, ihn an der Schulter packend. Aber Wassja schwieg und schrieb mit der trockenen Feder weiter.
    »Endlich habe ich das Tempo beschleunigt!« sagte er, ohne Arkadij anzublicken.
    Arkadij packte seine Hände und entriß ihm die Feder.
    Ein Stöhnen drang aus Wassjas Brust. Er ließ die Rechte sinken und blickte Arkadij an; dann fuhr er sich mit gequältem Ausdruck über die Stirne, als wollte er sich einer schweren, bleienen Last entledigen, die sein ganzes Wesen bedrückte; schließlich ließ er seinen Kopf leise, gleichsam nachdenklich auf die Brust fallen.
    »Wassja! Wassja!« schrie Arkadij Iwanowitsch verzweifelnd, »Wassja!«
    Nach einer Minute sah ihn Wassja wieder an. Seine großen, blauen Augen schwammen in Tränen, und sein blasses, sanftes Gesicht drückte unerträgliche Qual aus ... Er flüsterte etwas vor sich hin.
    »Was? Was?« rief Arkadij, sich über ihn beugend.
    »Womit ... Womit hab ich es verdient?« flüsterte Wassja, »Wofür? Was habe ich getan?«
    »Wassja! Was hast du? Was fürchtest du? Was?« schrie Arkadij verzweifelnd und sich die Hände ringend.
    »Warum muß ich unter die Soldaten gesteckt werden?« fragte Wassja und blickte seinem Freunde gerade in die Augen. »Wofür? Was habe ich getan?«
    Arkadij standen die Haare zu Berge; er traute seinen Sinnen nicht. Er stand vor seinem Freunde ganz vernichtet.
    Im nächsten Augenblick kam er zur Besinnung. – Das ist nichts, das geht bald vorüber! – sagte er sich, noch immer bleich, mit blauen, zitternden Lippen. Er begann sich, hastig anzukleiden, um nach einem Arzt zu laufen. Plötzlich rief ihn Wassja beim Namen. Arkadij stürzte zu ihm hin und umarmte ihn, wie eine Mutter, der man ihr Kind entreißen will ...
    »Arkadij, Arkadij, sage es niemandem! Hörst du? Es ist mein Unglück, und ich will es allein tragen ...« »Was sagst du? Was sagst du? Wassja, besinne dich doch!«
    Wassja seufzte tief auf, und Tränen liefen ihm über die Wangen.
    »Warum soll man sie umbringen? Was hat denn sie verbrochen?« keuchte Wassja herzzerreißend. »Es ist meine Sünde, meine Sünde!«
    Er schwieg eine Weile.
    »Lebe wohl, Geliebte! Lebe wohl, mein Schatz!« flüsterte er, und bewegte seinen armen Kopf hin und her ... Arkadij fuhr auf, nahm sich zusammen und wollte wieder zum Arzt ... »Gehen wir! Es ist Zeit!« schrie Wassja auf, der diese Bewegung Arkadijs mißverstand. »Gehen wir, Freund, gehen wir, ich bin bereit ... Begleite mich!« Er verstummte und warf Arkadij einen fast leblosen, tief

Weitere Kostenlose Bücher