Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)
gestrichen und anderes hineingebracht habe ... Doch schon am 4. Mai berichtet er, daß er ihn von neuem umgearbeitet habe – »er hat dadurch, bei Gott, sehr viel gewonnen«. Wir ersehen daraus, wieviel Mühe ihm dieses erste Werk gemacht hat und wie für ihn trotz seiner schwierigen wirtschaftlichen Lage der künstlerische Wert dieses seines entscheidenden Versuches doch das wichtigste war. Neben derartigen Mitteilungen wiederholen sich immer wieder Erörterungen der Frage, wie und wo und wann es am besten und am vorteilhaftesten wäre, das Erstlingswerk zu veröffentlichen, das ja zugleich sein finanzieller Rettungsanker sein soll. Und zwischen all diesen Sorgen stehen Sätze wie: »... soeben las ich ... von den deutschen Dichtern, die an Hunger, Kälte oder in Irrenhäusern gestorben sind. Es sind im ganzen an die zwanzig und was für Namen sind darunter!« oder »Wenn mir der Roman nicht gelingt, werde ich mich vielleicht erhängen ...«. In einem anderen Briefe: »Wenn ich den Roman nicht unterbringe, so gehe ich vielleicht in die Newa. Was soll ich denn tun? Ich habe mir schon alles überlegt. Ich werde den Tod meiner idée fixe nicht überleben.«
Über das weitere Schicksal seines Erstlingswerkes – wie er das Manuskript zum erstenmal aus der Hand gab, welchen Eindruck es auf die ersten Leser (den Freund Grigorowitsch und den Dichter Njekrassoff machte, und wie er seinen ersten Erfolg und die begeisterte Anerkennung des großen Kritikers Bjelinski damals (Mai 1845) erlebte, erzählt Dostojewski selbst 32 Jahre später in den »Erinnerungen«, die er dem Dichter Njekrassoff widmet. Aber auch in dem Roman »Erniedrigte und Beleidigte« (geschrieben 1860) finden wir im I. Teil (Kap. V, VI, X) und im III. Teil (Kap. V) mehrere autobiographische Stellen. Doch sowohl hier wie dort hat Dostojewski, wo er von der begeisterten Aufnahme seines ersten Werkes spricht, den Leser nicht darauf hingewiesen, daß wenigstens Bjelinski längst nicht das in dem Roman gesehen hat, was der Autor selbst in ihm sah. Und im Grunde hat die ganze damalige Kritik, bei aller Begeisterung, die »Armen Leute« überhaupt nicht in der ganzen Tiefe ihrer Bedeutung gewertet. Aber Dostojewski hat das damals, wie es scheint, gar nicht bemerkt – oder nicht bemerken wollen –, vielleicht weil er noch zu sehr unter dem lebendigen Eindruck eines Lobes stand, das seinem Ehrgeiz schmeichelte. Sein Ehrgeiz aber meldete sich bereits stark. Natürlich brauchte Dostojewski nach einem so schmeichelhaften Urteil des berühmten Kritikers Bjelinski sich das Geschimpfe, mit dem viele andere über ihn herfielen, nicht weiter zu Herzen zu nehmen, vielmehr konnte er sogar stolz darauf sein. Und das war er denn auch tatsächlich in nicht zu geringem Maße, wie aus seinen weiteren Briefen an den Bruder hervorgeht.
In einem Brief ohne Datum, doch ersichtlich aus dieser Zeit, schreibt er – offenbar nach der Rückkehr von einem Sommeraufenthalt beim Bruder –: »Wie traurig war mir zu Mute, als ich nach Petersburg hineinfuhr ... Wenn mein Leben in diesem Augenblick aufgehört hätte, so wäre ich, scheint mir, mit Freuden gestorben.« Sein Roman, der als Manuskript so viel Aufsehen erregt hatte, ist noch nicht gedruckt, doch schon schreibt er an seinem »Doppelgänger«, denn seine finanziellen Verhältnisse sind noch äußerst traurig. »Wie schade,« schreibt er, »daß man arbeiten muß, um leben zu können. Meine Arbeit duldet keinen Zwang.« Auch am 16. November 1845 ist sein Roman noch immer nicht erschienen, aber seine Stimmung ist nun nicht mehr düster, denn auch ungedruckt hat der Roman seinen Ruhm schon so verbreitet, daß er, wie er schreibt, »ganz berauscht« ist. »... Man bringt mir überall unglaubliche Achtung und kolossales Interesse entgegen. Ich habe eine Menge höchst anständiger Menschen kennen gelernt. Fürst Odojewski bittet mich um die Ehre meines Besuches und Graf Ssollogub rauft sich vor Verzweiflung die Haare aus: Panajeff hat ihm erklärt, es gäbe ein neues Talent, das sie alle in den Staub träte. Als Krajewsti (ein Verleger) neulich hörte, daß ich kein Geld habe, bat er mich ganz ergebenst, von ihm ein Darlehen von 500 Rubel anzunehmen ... Ich habe eine Menge neuer Ideen; aber wenn ich auch nur etwas irgend jemandem, z. B. Turgenjeff, anvertraue, wird es schon morgen an allen Ecken und Enden von Petersburg heißen, daß Dostojewski jetzt dies und das schreibt ... Ich glaube, daß ich bald viel Geld haben werde ...
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