Werke
ein Fischerboot im Sonnenschein vorüberglitt. – Menschen schienen hier oben nicht zu hausen, es rührte sich nichts; auch hinter mir aus dem Hause vernahm ich keinen Laut; nur eine Waldbiene summte in raschem Flug vorüber, und an den Grasrändern der Steintreppe gaukelten zwei dunkle Schmetterlinge.
Nach einer Weile stand ich auf und ging in den Saal. Er schien mir noch düsterer fast, als ich ihn mir gedacht hatte; die dicht vor dem Fenster stehenden Bäume schienen ihre Zweige bis über das Dach zu breiten. Ich schlug mit meinem Stock auf einen Tisch, daß es an der hohen Decke widerhallte; aber es kam niemand. – Zur Linken in einem Nebenzimmer, in das ich hineinblickte, stand ein einsames Billard. Aber gegenüber an der andern Seite des Saals war noch eine Tür; ich öffnete sie und gelangte in einen schmalen Gang und durch diesen wiederum ins Freie. – Neben einer Kegelbahn, die dicht am Hause lag, fand ich einen schon ältlichen Menschen, mit einer grünen Schürze angetan, auf dem Rasen eingeschlafen. In der Tat, es schien auch derselbe Kellner noch von damals! – Als ich ihn mit meinem Stock berührte, riß er die Augen auf und sprang empor. »Ich bitte, mein Herr«, sagte er, »ich habe wenig Ruhe gehabt die Nacht.«
Ich sah ihn verwundert an.
»Sie wissen das nicht?« fuhr er fort, indem er mich von Kopf zu Füßen musterte. »Die Herren Korpsburschen haben ja seit Ostern ihren Kneipabend hieher verlegt.«
Ich wußte das in der Tat nicht, obgleich die meisten meiner Bekannten zu dieser Verbindung gehörten.
Während ich einen Krug Bier und eine Schnitte Brot bestellte, waren wir in den Saal zurückgegangen. – Als der Tagesschein durch die geöffnete Tür fiel, wurden auf der Mitte des Fußbodens ein paar dunkle Flecke sichtbar, die mir keinen Zweifel ließen, daß nicht nur die Kneipabende, sondern auch die dazugehörigen »Paukereien« in diese Einsamkeit verlegt waren. – »Weshalb schafft ihr denn das Blut nicht fort?« fragte ich.
»Um Entschuldigung, mein Herr«, erwiderte der blasse Kellner, »aber der Fleck kommt immer wieder; er ist von damals; als das Unglück hier passierte. – Es sah sich übel an, als der hitzige junge Herr auf einmal so still und weiß wurde.«
Ich entsann mich sogleich jenes Vorfalles, der einer dürftigen Offizierswitwe ihren einzigen Sohn gekostet hatte. Es war bald nach meiner Abreise geschehen und hatte auf kurze Zeit die Teilnahme des ganzen kleinen Landes in Anspruch genommen.
Ich ging in die Halle hinaus und setzte mich auf eine der grünen Bänke, des armen heißblütigen Jungen gedenkend, dessen Leben hier die letzte unliebsame Spur zurückgelassen hatte.
Nach einer Weile brachte der Kellner das bestellte Frühstück. »Heut abend könnten Sie was Besseres haben«, sagte er, indem er Krug und Teller vor mir auf den Tisch stellte. »Wir haben Ball; da schickt der Prinzipal allemal seine Köchin heraus.«
»Ball?« fragte ich erstaunt. »Wer tanzt denn hier mitten im Walde?«
»Nun«, erwiderte er und blickte fast ein wenig despektierlich auf meine nicht allzu moderne Kleidung, »die vornehmsten Herren Studenten haben das so eingerichtet.«
Mir fiel plötzlich eine Stelle aus dem Briefe eines Freundes ein, den ich während meines Aufenthaltes in der Heimat erhalten hatte. »Zum Hexensabbat nennen wir es; und es geht toll genug her!« So lauteten die Worte. Ich wußte jetzt, wovon die Rede war; ich hatte nur den Ort vergessen.
Der Kellner schien übrigens jenen Namen nicht eben gern zu hören. Während ich ihn aber noch damit zu schrauben suchte, waren zwei junge, mir wenig bekannte Studenten den Berg heraufgekommen. Sie warfen sich, ohne von mir Notiz zu nehmen, an der andern Seite der Tür auf die Bank, während sie in scharf akzentuierten Worten und mit einem grimmigen Gesichtsausdruck jeder einen Seidel Bier bestellten. Dann, während der Kellner sich entfernte, kam in abgebrochenen Sätzen, mitunter durch Pfeifen oder lautes Gähnen unterbrochen, eine Unterhaltung über die bevorstehende Tanzfestlichkeit in Gang, die der eine, offenbar ein »Fuchs« von neuestem Datum, erst durch seinen etwas ältern Genossen kennenlernen sollte. Eine nach der andern wurden ihm die Tänzerinnen in knapper, nicht eben zartester Porträtierung vorgeführt; voran die Töchter eines Winkeltanzmeisters und eines trunkfälligen Polizisten, mit deren Hülfe das Institut begründet war; in ihrem Gefolge eine ganze Reihe freund- und elternloser Mädchen, die während
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