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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Storm
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des Tages mit ihrer Hände Arbeit sich ein kärgliches Brot verdienten.
    Ich verzehrte indessen schweigend mein Frühstück und fütterte mitunter einen Buchfinken, der furchtlos neben mir auf den Fliesen umherlief und die ihm hingeworfenen Brotkrumen aufpickte.
    »Die Gräfin sollst du erst sehen!« begann der Ältere meiner beiden Nachbarn wieder, indem er seinen kleinen Schnurrbart drehte.
    Der andere tat eine verwunderte Frage.
    Sein Freund lachte: »Es ist nur eine Nähterin, Ludwig; aber wenn sie dich so kalt mit ihren schwarzen Augen ansieht! – Sie ist verdammt von oben herab.«
    »Aber warum nennt ihr sie denn die Gräfin?«
    »Nun, siehst du – der Raugraf hat sie.«
    Ich weiß nicht, weshalb ich bei diesen Worten erschrak. Schon wollte ich nähere Erkundigungen bei dem jungen Renommisten einziehen, als mir einfiel, daß ich bei meinem Fortgehen die lahme Marie in der Hinterstube meiner Hauswirtin gesehen hatte.
    Ich machte mich sofort auf den Rückweg; und eine halbe Stunde später stand ich neben ihr und hatte ein Gespräch mit ihr angeknüpft.
    »Und Sie haben Lenore seit lange nicht gesehen?« fragte ich.
    Sie schwieg einen Augenblick. »Ich gehe nicht mehr mit ihr«, sagte sie, indem sie auf ihre Arbeit blickte.
    »Sie schienen doch sonst so gute Freunde!«
    »Sonst, ja!« – Sie strich ein paarmal mit dem Nagel über die eben angefertigte Naht. »Aber seitdem sie draußen bei den Studenten tanzt – sie wird die längste Zeit bei der alten Tante gewesen sein; und mit dem Testament mag es nun auch wohl anders werden.«
    ›Also doch!‹ dachte ich. – Christoph hatte mir das entlehnte Geld schon einige Zeit nach seiner Abreise mit der kurzen Bemerkung zurückgesandt, daß er im Hause seines Oheims eine freundliche Aufnahme, bei den beiden Alten nicht weniger als bei deren schon etwas ältlicher Tochter, und außerdem Arbeit vollauf gefunden habe. Seitdem hatte ich Näheres weder von ihm noch von Lore gehört.
    »Aber, wie ist denn das gekommen?« fragte ich nach einer Weile, während die Nähterin emsig fortgearbeitet hatte.
    »Nun!« sagte sie und steckte für einen Augenblick die Nähnadel ins Zeug. »Es war vierzehn Tage vor Pfingsten; die Lore war schon lange unwirsch gewesen; ich dachte erst, weil der Tischler ihr noch immer nicht geschrieben hatte; mitunter aber kam’s mir vor, als sei das ganze Verlöbnis ihr leid geworden und als könne sie in sich selber darüber nicht zurechte kommen. Sie scherte sich auch keinen Deut darum, ob sie mich oder eine von ihren vornehmen Herrschaften mit den kurzen Worten vor den Kopf stieß; am schlimmsten war es aber, wenn sie gegenüber die Musik vom Ballhaus hörte; denn sie hatte dem Tischler doch versprechen müssen, nicht zu Tanze zu gehen. – Eines Abends nun, da wir vor meiner Tür auf der Bank sitzen, kommt mein Schwestersohn, der Schneider, der erst gestern aus der Fremde heim war, mit ein paar andern Gesellen zu uns. Er war den Rhein herabgekommen, hatte auch dort in zwei oder drei Städten, die er namhaft machte, gearbeitet. Die andern fragen; er erzählt. – ›So hast du den Christoph Werner auch gesehen?‹ sagt der eine. – ›Den Tischler, freilich hab ich ihn gesehen; der hat sein Glück gemacht.‹ – ›Wie denn?‹ fragt der andere. – ›Wie denn? Er heiratet die Meisterstochter; und sie hat – – – du verstehst mich!‹ Er machte wie Geldzählen mit den Fingern. Mir wurde himmelangst bei diesen Reden. ›Du bist nicht gescheut, Junge‹, sag ich, ›was schwatzest du da ins Gelag hinein!‹ – ›Oho, Tante, gescheut genug!‹ ruft er, ›bin ich doch dabeigestanden, daß er die Bretter zu seinem Hochzeitsbett gehobelt hat!‹ – – Lore, auf dieses Wort, ohne einen Laut zu geben, steht sie von der Bank auf, nimmt ihren Hut und geht, ohne sich umzusehen, die Straße hinab. ›Was fehlt der?‹ sagt mein Schwestersohn noch. – ›Ich weiß nicht, Dietrich.‹ – Und ich wußte es auch wirklich nicht. Es war nicht gar so heiß gewesen zwischen ihr und dem Tischler; denn er war ihr lange nachgegangen, und sie hatte sich zweimal bedacht, bevor sie ja gesagt; und wenn ich’s auch schon wußte mit dem vornehmen jungenHerrn, dem Studenten, so dachte ich doch nicht, daß er ihr so ganz ihren eigensinnigen Kopf verrückt hätte.
    Noch eine Weile saß ich bei den andern und hörte, was der Junge, der Schneider, zu erzählen wußte; aber ich hörte nur halbwege, und bald litt es mich nicht länger; denn ich sorgte doch um sie.
    So

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