Werke
hatten nicht gerastet; schon war aus dem ungestalten Tonklumpen ein zarter Mädchenkopf erkennbar, schon sah man die geschlossenen Augen und die Wölbung des kleinen, leicht geöffneten Mundes.
Die Mittagshelle des Wintertages war heraufgezogen; da klopfte es von draußen mit leisem Finger an die Tür. – Er merkte es nicht; Ohr und Auge waren versunken in die eigene Schöpfung, die er aus dem Chaos an das Licht emportrug. – Da klopfte es noch einmal; dann aber wurde die Tür geöffnet.
Eine alte Frau war eingetreten. »Aber Franz, willst du denn gar kein Frühstück?«
»Mutter, du!« – Er war aufgesprungen und hatte hastig ein neben ihm liegendes Tuch über das junge Werk geworfen.
»Soll ich’s nicht sehen, Franz? Hast du ein neues Werk begonnen? Du bist ja sonst nicht so geheimnisvoll.«
»Ja, Mutter, und diesmal fühl ich’s, ist’s das rechte. – Aber deshalb – noch nicht sehen! Auch du nicht, meine liebe alte Mutter!«
Der Sohn hatte den Arm um sie gelegt. So führte er sie aus seiner Werkstatt, während sie zärtlich nickend zu ihm aufblickte, und bald traten die beiden in das freundliche Wohnzimmer, wo seit lange der Frühstückstisch für ihn bereitstand.
Es war Winter gewesen und Frühling geworden; aber auch der und der halbe Sommer waren schon dahingegangen; die Linden in der breiten Straße der Hauptstadt standen bestaubt, mit fast verdorrten Blättern. Statt der Natur, die hier so früh schon ihre Herrlichkeit zurücknahm, hatte die Kunst ihre Schätze ausgebreitet. Es war das Jahr der Kunstausstellung; die Tore des Akademiegebäudes hatten schon seit einigen Wochen dem Publikum offengestanden.
Unter den Werken der Bildhauerkunst war es besonders eine in halber Lebensgröße ausgeführte Marmorgruppe, welche die Teilnahme von alt und jung in Anspruch nahm. Ein junger, schilfbekränzter Stromgott, an abschüssigem Ufer emporsteigend, hielt eine entzückende Mädchengestalt auf seinen Armen. Trotz des zurückgesunkenen Hauptes und der geschlossenen Augenlider der letzteren sah man fast wie lauschend die Menschen an das Bild herantreten, als ob sie in jedem Augenblick den ersten neuerwachten Atemzug in der jungen Brust erwarten müßten. »Die Rettung der Psyche« war das Werk im Katalog bezeichnet.
Der Name des noch jungen Künstlers ging von Mund zu Mund; fortwährend war sein Werk von einer Menge von Bewunderern umdrängt; die Neugierigen, wo sie ihn erwischen konnten, plagten ihn auch wohl mit Fragen. »Nicht wahr, Verehrtester«, meinte ein alter Kunstmäzen, der vor dem Ausstellungsgebäude seinen Arm erhascht hatte und ihn nun innig festhielt, »das ist noch ein Motiv aus Ihrem römischen Aufenthalt? Wo haben Sie nur das allerliebste Köpfchen aufgefischt?«
Auf die erste Frage blieb der Künstler die Antwort schuldig; auf die zweite gab er bereitwillig Auskunft. »Ich liebe es, im Winter über Land zu schweifen; da sah ich eines Tages den Vorhang des Olympos wehen und war so glücklich, einen Blick hineinzutun.«
Der Alte sah ihn schelmisch an. »Sie wollen mir ausweichen. Nun – es muß ein langer Blick gewesen sein!«
Der junge Künstler schüttelte den Kopf.
»Aber, Verehrtester, Sie schauen ja plötzlich ganz melancholisch drein!«
»Ich? Nun, vielleicht, – Sie wissen wohl, man schaut nicht ungestraft ein Götterantlitz.«
»Ja, ja, Sie haben recht!« Und der Alte ließ sein Opfer für dieses Mal entwischen.
Wie es zu geschehen pflegt, nachdem die Bewunderung sich satt gesprochen, kam auch der Tadel dann zu Worte. Man fand das ganze zu wenig stilvoll, das Herabhängen des einen Armes der Psyche insbesondere zu naturalistisch.
»Aber, ihr Männer, könnt ihr denn gar nicht sehen?« rief eine muntere, hell blickende Dame, die im Angesichte des Kunstwerks eben mit solchen Bemerkungen unterhalten wurde; »dieser schöne Arm ist eine Reminiszenz! Glauben Sie mir, das da hat seine lebendige Geschichte, das Bildwerk ist ein Denkmal; vielleicht – –«
»Auf dem Grabe einer Liebe?«
»Vielleicht! Wer weiß!«
»Oh, gnädige Frau, Sie wissen mehr; verraten Sie es nur!«
»Ich weiß nichts, und wenn ich wüßte, so etwas wird von keiner Frau verraten.«
»Aber da wären wir ja mit aller Kritik am Ende!«
»Ich dächte, ja!«
Noch andere Ohren hatten dies Gespräch gehört. Ein junger Maler, ein Freund des Künstlers, trat bald danach in dessen Werkstätte und erstattete getreulichen Bericht.
Der Bildhauer hatte auffallend schweigsam zugehört. Er lehnte mit
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