Werke
Wiederbeginn der Kollegien folgte auch ich, um wenigstens ein paar Tage mit den Meinen zu verleben.
Archimedes fand ich besonders heiter und in großer Regsamkeit. ›Du kommst verteufelt spät, lieber Freund!‹ rief er mir entgegen; ›aber der Alte ist splendid gewesen, ich reise wieder mit euch! Übrigens ...‹ Und nun erfuhr ich, daß am letzten Tage noch ein Ball stattfinden solle, den ich nicht versäumen dürfe; seine kleine Phia würde auch erscheinen.
Dann schwieg er eine Weile und sah mit seinem kindlichen Lächeln zu mir auf. ›Weißt du, lieber Freund‹, begann er wieder, ›ich habe dabei auf dich gerechnet! Sie hat noch keinen Ball besucht; sie hat daher nicht so ihre gewohnten Tänzer wie die andern; nicht wahr, du hilfst mir, sie gleich ein wenig mit hineinzubringen?‹
Ich dachte plötzlich wieder an die Willis. ›Deine Schwester muß ja bezaubernd tanzen‹, sagte ich. ›Wie wär’s mit Polonäse und Kotillon? Willst du meine Bitte überbringen?‹
Archimedes drückte mir die Hand. ›Trefflich, trefflich, lieber Freund! Aber nun muß ich zum Schuster, ob meine neuen Lackierten doch auch fertig sind!‹ –
Am Morgen des Festabends waren wir alle in Bewegung; die einen, um Handschuhe oder seidene Strümpfe einzukaufen – denn Archimedes war der einzige, der stets in Lackstiefeln tanzte –, die andern, um bei dem Gärtner einen heimlichen Strauß für die Angebetete zu bestellen. Diese letzteren belächelte Archimedes, indem er sanft den Kopf emporschob; er hatte niemals eine Herzdame, sondern nur eine allgemeine kavaliermäßige Verehrung für das ganze Geschlecht, worin er vor allem seine Schwester einschloß. Ich entsinne mich fast keiner Schlittenpartie, wobei sie nicht die Dame des eigenen Bruders war; es schien bei solchem Anlaß, als möge er sie keinem Dritten anvertrauen; sorgsam vor der Abfahrt breitete er alle Hüllen um und über sie, während das blasse Gesichtchen ihn dankbar anlächelte; und ebenso sorgsam und ritterlich hob er bei Beendigung der Fahrt sie wieder aus dem Schlitten.
So war denn Archimedes zum Festordner wie geschaffen und auch diesmal dazu gewählt worden. Als ich, wie gewöhnlich sein Gehülfe bei solcher Gelegenheit, am Vormittag des Festes in den Ballsaal trat, wo noch einiges mit dem Wirte zu ordnen war, fand ich ihn mit diesem bereits in lebhafter Unterhaltung. ›Vorzüglich, ganz vorzüglich!‹ hörte ich ihn eben sagen; ›also noch ein Dutzend Spiegellampetten an den Wänden, damit die Toiletten der Damen sich im gehörigen Lüster präsentieren, und, Liebster, nicht zu vergessen die bewußten Draperien, um auch die Musikantenbühne in etwas zu verschönern!‹
Während der Wirt sich entfernte, schritt Archimedes auf mich zu, der ich am andern Ende des Saales die Tischchen mit den Kotillonraritäten revidierte; aber der Ausdruck seines guten Gesichts schien den heiteren Worten, die ich erst eben von ihm gehört hatte, wenig zu entsprechen.
›Was fehlt dir, Archimedes?‹ frug ich. ›Deine Schwester ist heute abend doch nicht abgehalten?‹
›Nein, nein!‹ rief er. ›Sie wird schon kommen, und wenn auch erst um zehn Uhr, nachdem der Alte zur Ruhe gegangen ist; aber ich denke sie noch früher loszunesteln!‹
›Nun also, was ist es denn?‹
›Oh, es ist eigentlich nichts, lieber Freund; aber dieser Käfer, der Herr Hausverwalter! Ich glaube, das arme Ding fürchtet sich ordentlich vor ihm. Stelle dir’s vor, er unterstand sich heute, auf mein Zimmer zu kommen und uns beiden zu erklären, der Herr Etatsrat werde das sehr übel vermerken, wenn das Fräulein auf den Ball ginge; und das Fräulein hing so verzagt an seinem unverschämten Munde; es fehlte nur noch, daß er ihr gradezu den Ball verboten hätte!‹
Archimedes zuckte mit seinem Stöckchen ein paarmal heftig durch die Luft. ›Ich werde diesem Käfer noch die Flügeldecken ausreißen!‹ sagte er und machte seine Offiziersaugen. ›Der Mensch unterstand sich sogar, mich bei meinem Vornamen anzureden; da habe ich ihm denn seinen Standpunkt klargemacht und ihn hierauf sanft aus der Tür geschoben; siehst du‹ – und er erhob den Arm –, ›mit dieser meiner eigenen Hand, die leider ohne Handschuh war!‹ Er ging ein paarmal auf und nieder. ›Zu toll, zu toll!‹ rief er. ›Während meiner Philippika hatte das Kind mich fortwährend am Rock gezupft; nun der Bursche fort war, bat sie mich unter Tränen, sie doch zu Hause zu lassen. Aber sie soll nicht; sie soll auch einmal
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