Werke
als ob er gegen Feindesmacht sie schützen müsse.
Aber auch von heimlichster Liebe geht ein Schimmer aus, der sie verrät. Als eines Vormittags der Junker, das Haupt von jungem Glücke schwer, aus den hohen Bäumen hart an dem Turmhaus vorgeschritten war, sprach eine Stimme neben ihm: »Ich bin daheim geblieben, Junker, damit Ihr mich nicht allzeit verfehlen möget.«
Junker Hinrich brauchte nicht erst aufzublicken; er kannte Owe Heikens‹ Stimme schon seit seinen Kinderjahren; aber er war doch zusammengefahren und stand, keines Wortes mächtig, vor dem alten Freund und Diener, obwohl kein Arg in seinem Herzen war. Da sprach dieser von neuem: »Lasset uns wie sonst den Wolf jagen, Junker, oder eine Wildsau, wenn wieder trotz des Grauhunds sich eine hier herüberwagt; aber lasset das Kind in Frieden, das itzt unter meinem Dache schläft.«
Der Junker hob den Kopf, als ob er sprechen wolle. »Nein, redet nicht, Junker!« wehrte ihm der Alte; »ich weiß ja, was Ihr in Gedanken heget; Ihr seid nicht wie die andern drüben in des Königs Anteil, wo man ein Gesetz will ausgehen lassen, daß alle Jungfernschänder, hoch und nieder, es an Leib und Leben büßen müssen...«
Er kam nicht weiter. Herr Hinrich hatte strack sich aufgerichtet, ein jähes Feuer schoß aus seinen Augen. »Owe Heikens!« schrie er, und seine Faust griff nach des Alten Brust. Doch einen Augenblick nur, und er ließ sie wieder sinken; denn von drüben aus dem Turm scholl es, als ob drinnen leichte Füße die Treppe von dem oberen Stock hinunterhuschten, und dabei schwang ein süßer Sang sich durch die Luft:
Sein Herz von meinem Herzen,
Das bringet niemand los;
O lieber Gott im Himmel,
Die Lieb ist gar zu groß!
Mit verklärtem Antlitz stand der Junker; doch Owe Heikens sagte: »Sorget nicht, Herr Hinrich; sie wird nicht kommen heut; das Tor ist abgeschlossen und der Schlüssel hier in meinem Schubsack!«
Er hatte das fast zornig hingeredet; doch der Junker achtete dessen nicht. »Laß gut sein, Owe«, sprach er; »aber ich denke, du solltest mich nicht mit derlei Schelmenworten paaren!«
»Wenn Ihr das denkt, Herr Hinrich«, und der Alte sah schier traurig zu ihm auf, »was denket Ihr dann weiter? In welcher Kammer in Eures Vaters Hause soll Euer Ehbett mit des geringen Mannes Tochter stehen? Oder wolltet Ihr Euer Erbe gar darum verspielen? Und wenn Ihr es wolltet – ich sag nichts gegen unseres Herrn Söhne; aber es würde groß Klagen geben, so Euer hochgelahrter Herr Bruder hier zum Regiment gelangte.«
Da fuhr der Junker auf: »Du faselst, Ow’; wie sollten meines Bruders Hände nach meinem Gute greifen! Wenn unseres Vaters Augen, die Gott noch lang in dieser Zeitlichkeit belassen wolle, sich einst zu besserer Schau geschlossen haben, dann werden meine über euch sein, so wie es immer Recht und Brauch bei uns gewesen ist.«
Als er solches sagte, wurde inner des Hoftores wie von vorsichtiger Hand ein Rütteln hörbar. »Bärbe!« rief der Junker. »Schließ auf, Owe! Da sollst du sehen, daß Gottes Sonne uns bescheinen mag und keine Flecken dann zutage kommen!«
Aber der Alte zog den Schlüssel nicht aus seinem Schubsack. »Nein, nein, Herr Hinrich, ich schließ Euch keine Türen auf; wollet das nicht von mir heischen, so Ihr mich anders für unseres Herren Diener achtet!«
Der Junker sah ihn eine Weile mit seinen scharfen Augen an, dann sagte er: »Ich kann dich drum nicht schelten, Owe Heikens; sehe denn jeder, welcher Weg ihm taugen mag!«
Von jenseit durch die Pforte drang ein leichtes Atmen an sein Ohr; seine Augen streiften rasch dahin; dann aber nickte er dem Alten zu und schritt den Heidestieg hinab.
Sein Herz von deinem Herzen,
Das bringet niemand los!
O lieber Gott im Himmel – –
Halb wie ein Trutzlied klang das schöne Liebeslied, und er sang es hell und heller, je weiter er durch das schwarze Kraut hinausschritt; die Lüfte, die ihm entgegenwehten, nahmen es auf und fuhren damit rückwärts; kein Wörtlein ist davon verlorengangen.
Es heißt wohl: »Liebe findet ihre Wege«, aber dem Junker waren sie seither doch arg verlegt worden. Es schuf ihm unliebsames Grübeln, weshalb der alte Herr, und eben zwar am Vormittage, seiner Hülfe so sonderlich mehr als sonst bedürfen wolle. War es nichts anderes, so waren Rechnungen aufzustellen oder für Rotuln und Rezesse in einem zähen Rechtshandel mit der Nachbarsdorfschaft Instruktionen aufzusetzen oder verschwundenen Dokumenten im Bodenschutte
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