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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Storm
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aufrecht werde?«
    Sie schrak zusammen, als habe er die unbewachten Gedanken in ihr ertappt. Aber sie suchte sich zu fassen. »Geh nur, Franz!« sagte sie, indem sie seine Hand ergriff und ihn sanft zur Stubentür zurückführte.
    Dann, nachdem er sie allein gelassen, kleidete sie sich an und verließ bald darauf mit dem Gebetbuch in der Hand das Haus.
    Nach einer Weile trat sie in die Lambertuskirche. Der Vormittag war indes herangekommen. Vor den Fenstern des mächtigen Raumes schatteten die jetzt schon belaubten Zweige der draußen stehenden Lindenbäume; nur im Chor auf die Türen des Reliquienschrankes fiel ein gebrochener Sonnenstrahl durch die bunten Glasscheiben. In den Stühlen im Schiff der Kirche saßen oder knieten hie und da noch einzelne vor den aufgeschlagenen Gebetbüchern, sich vorbereitend auf das abzulegende Bekenntnis. Nichts war vernehmlich, als das Flüstern in den Beichtstühlen, mitunter ein tiefes Atemholen, das Rauschen eines Kleides oder ein leiser Schritt über die Fliesen des Fußbodens. – – Bald kniete auch Veronika in einem der Beichtstühle, unweit des Bildes der Gebenedeiten, das mitleidig lächelnd auf sie herabblickte. Ihre ganz schwarze Kleidung machte heute die durchsichtige Blässe ihres Angesichtes noch bemerklicher. Der Geistliche, ein kräftiger Mann in mittleren Jahren, lehnte von drinnen den Kopf gegen das Gitter, das ihn von seinem Beichtkinde trennte.
    Veronika begann halblaut die Worte der Einleitungsformel: »Ich armer sündiger Mensch«, und mit unsicherer Stimme fuhr sie fort: »bekenne vor Gott und Euch Priester an Gottes Statt!« – – Aber ihre Worte wurden immer langsamer, immer unverständlicher; zuletzt verstummte sie.
    Das dunkle Auge des Priesters war ruhig und fast mit einem Ausdruck von Ermüdung auf sie gerichtet; denn die Beichte hatte schon stundenlang gedauert. »Bekehret Euch zu dem Herrn!« sprach er milde. »Die Sünde tötet; aber die Buße machet lebendig.«
    Sie suchte ihre Gedanken zu sammeln. Und wieder vor ihrem innern Ohr, wie so oft seit jener Stunde, war das Tosen der Mühle; und wieder stand sie vor ihm in der heimlichen Dämmerung, ihre Hände gefangen in den seinen, im Drang des übermächtigen Gefühls die Augen schließend, in Scham gebannt, nicht wagend zu entfliehen, noch weniger zu bleiben. – Ihre Lippen bewegten sich; aber sie brachte es nicht hervor, sie mühte sich vergebens.
    Der Priester schwieg eine Weile. »Mut, meine Tochter!« sagte er dann, indem er das Haupt mit dem vollen schwarzen Haar emporhob. »Gedenken Sie der Worte des Herrn: Nehmet hin den Heiligen Geist; denen ihr die Sünden erlasset, denen sollen sie vergeben sein!«
    Sie blickte auf. Das gerötete Antlitz, der kräftige Stiernacken des Mannes im Priesterornate war dicht vor ihren Augen. Sie begann noch einmal; aber ein unüberwindliches Sträuben überkam sie, eine Scheu wie vor unkeuschem Beginnen, schlimmer als was zu bekennen sie hieher gekommen. – Sie erschrak. War, was sich jetzt in ihr empörte, nicht eine Lockung der Todsünde, von der sie sich befreien wollte? – Sie neigte in stummem Kampf ihr Haupt auf das vor ihr liegende Gebetbuch.
    Aus dem Antlitz des Geistlichen war indessen der Ausdruck von Abspannung verschwunden. Er begann zu sprechen, ernst und eindringlich und bald mit allem Zauber der Überredung; leis aber klangvoll drang der Ton seiner Stimme in ihre Ohren. Zu jeder andern Stunde wäre sie hingerissen in den Staub gesunken; aber diesmal war das neu erwachte Gefühl stärker, als alle Macht der Rede und alle Gewöhnung ihrer Jugend. – Ihre Hand nestelte an dem Schleier, der auf ihrem Hut zurückgeschlagen war. »Verzeihung, Hochwürden!« stammelte sie. Dann, während sie stumm das Haupt schüttelte, zog sie den Schleier herab, und ohne das Zeichen des Kreuzes empfangen zu haben, stand sie auf und ging mit eiligen Schritten den Steig entlang. Ihre Kleider rauschten an den Kirchenstühlen; sie nahm sie zusammen; ihr war, als griffe alles nach ihr, um sie hier zurückzuhalten.
    Draußen unter dem hohen Portale blieb sie tief aufatmend stehen. Ihr war schwer zu Sinne; sie hatte die rettende Hand, von der sie seit ihrer Jugend geführt worden war, zurückgestoßen; sie wußte keine, die sie jetzt ergreifen konnte. Da, während sie noch unentschlossen auf dem sonnigen Platze stand, hörte sie neben sich eine Kinderstimme, und eine kleine braune Hand hielt ihr feilbietend einen vollen Primelstrauß entgegen. – Es war ja Frühling

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