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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Storm
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machte es, wie zuvor, einen leisen Klapp, und die schöne Frau Abel trat aus der Wand wieder in den Korridor hinein. Ein Rosenduft schlug dem Knaben entgegen, wie sie an ihm vorüberstrich. »Mutter, Mutter!« rief er; aber er hielt sie nicht zurück; er hörte, wie sie die Treppe hinab und in das Zimmer des Vaters ging, wo er am Vormittag sein Schaukelpferd an den messingenen Ofenknopf gebunden hatte. Nun hielt es ihn nicht länger, er sprang durch den Korridor und ritt wie der Wind das Treppengeländer hinab. Als er ins Zimmer trat, war es voller Rosenduft und es schien ihm fast, als wäre seine Mutter selber eine Rose, so leuchtend war ihr Antlitz. Hinzelmeier wurde ganz nachdenklich.
    »Liebe Mutter«, sagte er endlich, »weshalb gehst du denn immer durch die Wand?«
    Und als Frau Abel hierauf verstummte, sagte der Vater: »Ei nun, mein Sohn, weil die andern Leute immer durch die Tür gehen.«
    Das war dem Hinzelmeier schon einleuchtend; bald aber wollte er mehr erfahren.
    »Wohin gehst du denn, wenn du durch die Wand gehst?« fragte er weiter. »Und wo sind denn die Rosen?«
    Aber ehe er sich’s versah, hatte der Vater ihn kopfüber aufs Schaukelpferd gestülpt und die Mutter sang das schöne Lied:
     
    Hatto von Mainz und Poppo von Trier
    Ritten zusammen aus Lünebier;
    Hatto hott hott! immer im Trott!
    Poppo hopp hopp! immer Galopp!
    Ein, zwei, drei!
    Zelle vorbei;
    Ein, zwei, drei, vier!
    Nun sind wir schon hier.
     
    »Bind es los! bind es los!« rief Hinzelmeier; und der Vater band das Rößlein vom Ofenknopf, und die Mutter sang, und der Reiter ritt hopp hinauf und hopp hinab und hatte bald alle Rosen und weißen Wände in der ganzen Welt vergessen.
Zweites Kapitel
Der Zipfel
    Nun gingen manche Jahre hin, ohne daß Hinzelmeier eine Wiederholung des Wunders erlebt hätte; er dachte daher auch überall nicht mehr daran, obgleich seine Eltern jung und schön blieben, wie sie es immer gewesen waren, und oftmals auch im Winter der wunderbare Rosenduft sie umgab.
    In dem einsamen Korridor des oberen Stockwerks war Hinzelmeier jetzt nur selten noch zu finden; denn die Katze war vor Alter gestorben, und so war seine Schule aus Mangel an Schülern von selber eingegangen.
    Es war ihm nun schon fast so, als müßte um einige Jahre der Bart zu wachsen anfangen; da ging er eines Nachmittags wieder in den alten Korridor hinauf, um die weißen Wände zu besichtigen; denn er wollte auf den Abend das berühmte Schattenspiel »Nebukadnezar und sein Nußknacker« zur Aufführung bringen. In dieser Absicht war er an das Ende des Ganges gekommen und betrachtete die weiße Querwand von oben bis unten, als er zu seiner Verwunderung den Zipfel eines Schnupftuches daraus hervorhängen sah. Er bückte sich, um es genauer zu betrachten; in der Ecke stand: A.H.; das konnte nichts anderes heißen als: Abel Hinzelmeier; es war das Schnupftuch seiner Mutter. Nun fing’s in seinem Kopfe an zu schnurren und die Gedanken arbeiteten rückwärts, weiter und weiter, bis sie bei dem ersten Kapitel dieser Geschichte plötzlich haltmachten. Hierauf suchte er das Schnupftuch aus der Wand herauszuziehen, was ihm auch nach einem etwas schmerzhaften Experimente glücklich gelang; dann schlug er, wie einst die schöne Frau Abel, dreimal mit dem Tuche gegen die Wand; und »ein – zwei – drei –!« tat sie sich lautlos voneinander, Hinzelmeier schlüpfte hindurch und stand – wohin er am wenigsten zu gelangen dachte – auf dem Hausboden. Aber es war nicht daran zu zweifeln; dort stand der Urgroßmutterschrank mit den wackelköpfigen Pagoden, daneben seine eigne Wiege und weiterhin das Schaukelpferd, lauter ausgedientes Gerät; unter dem Balken längs an eisernen Haken hingen wie immer des Vaters lange Mäntel und Reisekragen und drehten sich langsam um sich selbst, wenn der Zug durch die offenen Bodenluken hereinstrich. »Sonderbar!« sagte Hinzelmeier, »warum ging die Mutter denn doch immer durch die Wand?« Da er indessen außer den bekannten Gegenständen nichts bemerken konnte, so wollte er durch die Bodentür wieder ins Haus hinabgehen. Allein die Tür war nicht da. Er stutzte einen Augenblick und meinte anfänglich,sich nur geirrt zu haben, weil er von einer andern Seite, als gewöhnlich, hinaufgelangt war. Er wandte sich daher und ging zwischen die Mäntel durch nach dem alten Schranke, um sich von hier aus zurechtzufinden; und richtig, dort gegenüber war die Tür, er begriff nicht, wie er sie hatte übersehen können. Als er aber

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