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Werwelt 01 - Der Findling

Werwelt 01 - Der Findling

Titel: Werwelt 01 - Der Findling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Stallman
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Das ist das Rechte.«
    »Du würdest auf jede Frau losgehen. Du wolltest es damals in der Nacht auch mit Mrs. Lanphier machen.« Er hielt inne, voller Scham bei der Erinnerung.
    »Diese Frauen wollten den Geschlechtsakt mit dir – und mit mir«, sagte es aus seinem Inneren, obwohl die Stimme direkt an seinem Ohr zu sein schien, beinahe ein Hauch, den er spüren konnte, wärmer als die warme Nachtluft.
    »Du weißt nicht, wie es ist, ein Mensch zu sein«, sagte Charles schließlich. »Du könntest niemals mutig oder heldenhaft sein oder wirklich lieben, weil du kein Mensch bist.«
    »Ich sehe, daß du mich beleidigen willst, Charles«, sagte die Stimme leise. »Aber ich will so wenig ein Mensch sein, wie du ich sein möchtest – doch es ist notwendig. Wir sind zusammen, und wir teilen die gleichen Empfindungen. Du versetzt uns ohne Grund in Mißbehagen.«
    »Der Grund ist der meine«, entgegnete Charles. Weit drüben über den Feldern konnte er das Licht des Schulhauses zwischen den Bäumen blitzen sehen. »Es ist der Grund eines Menschen«, fügte er hinzu und hätte beinahe gesagt, ›eines Helden‹, da er sich stets größer und männlicher fühlte, wenn er dem entsagte, was er wollte, sich jene höchste Wonne versagte, von der das Tier sprach.
    »Aber du kannst mich nicht einfach verschwinden lassen, Charles«, sagte das Tier leise und eindringlich. »Wir sind zusammen, ein Geschöpf.«
    Charles kam jetzt aufs freie Feld, und die Lichter des Schulhauses schimmerten wie die eines Leuchtturms durch die klare, dunkle Nacht. Er spürte den aufschießenden Schwall von Hoffnungslosigkeit, der ihn immer mit eisiger Kälte überflutete, wenn ihm das klar wurde. Das Tier hatte recht. Es gab nur ein einziges Geschöpf. Niemals würde er neben diesem gewaltigen, furchtbaren Ding stehen; niemals würde er es ansehen können, es sei denn in einem Spiegel, wie jenes eine Mal; niemals würde er voller Entsetzen vor ihm fliehen und es zurücklassen. Er war er selbst. Nein, verbesserte er sich, ein Gefühl von Schwäche in Armen und Beinen, er war ein Teil von ihm. Als er über die umgepflügten Schollen schritt, sah er, wie die Lichter des Schulhauses erloschen, die Umrisse der sechs hohen Fenster von der Dunkelheit verschluckt wurden, als wären sie nie gewesen. Sie hatte noch abgesperrt und ging jetzt sicher das schmale Sträßchen hinunter zu ihrem kleinen Zimmer im Haus der Peaussiers.
    Er wollte schon rechts abschwenken und quer durch ein Wäldchen laufen, um nach Hause zu kommen, als ihm einfiel, daß er die Plakette liegengelassen hatte. Miss Wrigley würde schrecklich enttäuscht sein, zu sehen, daß er den Preis nicht einmal hoch genug schätzte, um ihn mit nach Hause zu nehmen. Er fiel in Laufschritt und hielt auf die Schule zu, rannte jetzt schneller, als er sich überlegte, daß er sich bei ihr entschuldigen und die Plakette noch holen konnte, wenn er sie einholte, ehe sie zum Tor hinaus war. Doch auf den frisch gepflügten Feldern kam er nur langsam vorwärts, und er sah, wie eine Gestalt durch das Schultor ging und das Sträßchen hinunter, das zum Hof führte. Keuchend bremste er ab, ging aber in ziemlich raschem Tempo weiter, ohne selbst recht zu wissen, warum eigentlich. In ein paar Minuten würde sie zu Hause sein, und dann war es zu spät, und ihm lag gewiß nichts daran, plötzlich aus der Dunkelheit zu springen und sie zu erschrecken. Doch er ging weiter, irgendeinem obskurem Grund folgend, der sich in seinem Hirn selbst produziert hatte, oder vielleicht dachte er auch gar nicht nach, sondern wollte nur noch nicht nach Hause.
    Seltsam, während er der schwach umrissenen Gestalt von Miss Wrigley folgte, sie in der Mitte des Sträßchens, er hinter ihr auf dem Feld, dicht am Zaun, war er sich keines bestimmten Motivs bewußt. Eher kam es ihm vor wie ein Spiel. Er war ein Detektiv, und sie war eine Verdächtige, die er beschatten mußte, weil … Blödsinn, dachte er, während er im Vorwärtsgehen darauf achtete, daß stets einer der Bäume, die am Straßenrand standen, zwischen ihm und der Frau war, für den Fall, daß sie sich umdrehen sollte. Ich will sie nicht erschrecken, dachte er.
    Sie war jetzt beinahe am Weg, der in den Hof hineinführte, und Charles konnte im Stall oder in seiner Nähe das kummervolle Brüllen irgendeines Tiers hören. Es war ein langgezogenes, seufzendes Brüllen mit einem kleinen Quietschen am Ende. Verwundert blieb er stehen, aber dann fiel ihm ein, daß Runt erzählt hatte, Mrs.

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