Wickelblues & Wimperntusche (German Edition)
nur? Ich hasste Babyblau!
Meine liebe Traumfrau! ( Ach, auf einmal war ich also wieder die Traumfrau? Gerade nichts zu tun in der Kanzlei, oder wie?) Vor dreizehn Monaten wusste ich bereits, dass ich mit dir zusammen alt werden möchte. Daran hat sich bis heute nichts geändert, auch wenn wir gestritten haben, bis die Fetzen flogen. Aber so war der Plan: Keine glattgebürstete Alltagsbeziehung, die jeden Tag gleich ist, und keine Drei-Tage-Regenwetter-Gesichter. Dann lieber regelmäßig einen Sturm und anschließend reine Luft.
Vor einem halben Jahr hatten wir ja leider keinen Kopf für die Tatsache, dass wir uns nach wie vor blendend ergänzen. Das möchte ich hiermit nachholen: Anbei findest du einen Gutschein für ein Wellness-Wochenende, das du nie vergessen sollst. Viel Spaß damit, meine Teure, und herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag - Falk
P.S.: Svenja wird ja bald sechzehn und ist somit alt genug, um auch mal ein Wochenende allein zu bleiben. Mach dir also keine Sorgen und genieße dein Leben!“
„Alt genug, um ein Wochenende allein zu sein?“, schnaubte ich. „Wie allein ist man wohl, wenn man fünfzehn ist, heftig verliebt und sturmfreie Bude hat?“
Ich setzte den Brief ab und dachte an unseren letzten Streit. Wie immer war es um Kleinigkeiten gegangen: Falk hatte sich darüber aufgeregt, dass die Schreibarbeiten, die ich als seine Sekretärin erledigte, nicht rechtzeitig fertig geworden waren. Ich war wütend, weil er mich am Abend zuvor wieder einmal wegen einer Klientin versetzt hatte, und schon war der Abend dahin. Ein Wort gab das andere, und nach gegenseitigen Vorwürfen á la „Du bist chaotisch und unstrukturiert!“ – „Und du bist mit deinem Beruf verheiratet und langweilig!“, flog erst mein Glas an die Wand und dann seine fristlose Kündigung an meinen Kopf. Seitdem hielt ich mich mit einer Halbtagsstelle als Kassiererin und dem Aushilfsjob im Fitness-Studio über Wasser und träumte davon, dass Svenjas Vater ein Engagement bekommen und uns von all dem erlösen würde.
Meine Verlegenheit angesichts der rosafarbenen Liebeserklärung war auf einmal verflogen. Falk war einer der Gründe, weswegen ich heute Nacht den festen Beziehungen abgeschworen hatte. Trotzdem wollte ich sein Geschenk nicht ablehnen, dazu hatte ich Erholung viel zu nötig. Aber wen sollte ich mitnehmen? Schnell ging ich die wenigen Optionen durch: Meine Mutter? Oh nein, dafür war Lotta etwas zu – speziell. Dann vielleicht Svenja? Lieber nicht, zusammengepfercht auf magere 52 Quadratmeter gingen wir uns genug auf die Nerven. Blieb Anni, die treue Seele; mit ihr zusammen könnte so ein Wochenende richtig spannend werden, besonders in Anbetracht meiner neuen Vorsätze.
Ich betrachtete die bunten Flyer und verzog das Gesicht. „Einzelzimmer? Du Geizhals!“
„Mama, du bist unmöglich“, wetterte Svenja. „Freu dich doch über das unerwartete Geschenk, statt zu meckern. Aber wenn du nicht willst lass mich, ich fahre gern!“
„Von wegen!“ Vorsichtshalber hielt ich Gutschein und Brief über meinen Kopf und somit außerhalb ihrer Reichweite, woraufhin sie grinsend die restliche Post durchblätterte.
„Dr. Thea von Grünberg ? Wer ist denn das?“
Mir wurde abwechselnd kalt und heiß, dann schnappte ich ihr den Umschlag aus grauem Umweltpapier aus der Hand. Das ausgerechnet dieser Brief mir entgehen konnte …
„Das geht dich gar nichts an!“, keuchte ich
Svenja machte einen langen Hals und las trotzdem. „PEPITA – Ist das nicht die neue Frauenzeitschrift, für die sie im Fernsehen grad Werbung machen?“
„Hast du eigentlich keine Hausaufgaben zu machen?“ Um Zeit zu gewinnen verzog ich mich mit dem Brief auf die Toilette, dem einzigen Ort, an dem ich ein paar Minuten Ruhe haben würde.
Da saß ich nun wie ein Schulmädchen vor der Zeugnisausgabe und starrte auf den Brief. Adressiert war er, wie Svenja richtig bemerkt hatte, an Dr. Thea von Grünberg - es wunderte mich, dass der Postbote es nicht bei meiner Mutter Lotta Grünberg abgegeben hatte, die am anderen Ende der Kruppstraße wohnte.
Vorsichtig zog ich den Brief heraus und faltete ihn auseinander:
Betrifft: Ihren Leserbrief zum Thema ‚Die neue Frau – Power statt Trauer’
Sehr geehrte Frau Dr. von Grünberg! Mit Begeisterung haben wir Ihren Leserbrief gelesen. Er hat die Redaktion zu so spannenden Gesprächen angeregt, dass wir ihn gleich in der nächsten Ausgabe veröffentlichen wollen. Nicht als Leserbrief, sondern
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