Wickelblues & Wimperntusche (German Edition)
merkwürdig vorkam, aber trotzdem aufgeregt. Ich hatte eine Geschichte! Eine ungewöhnliche und spannende Geschichte, hoffentlich stellte sie sich im Nachhinein nicht als Spinnerei einer durchgedrehten alten Frau heraus!
Pünktlich um 20:00 Uhr geleitete mich der Hotelpage zur Penthouse-Suite. Ich bewunderte die gehobene Atmosphäre, die aus jedem Winkel des Gebäudes atmete, und hatte Mühe, nicht vor Ehrfurcht in den Boden zu versinken.
Die Dame aus der Bahn begrüßte mich reserviert, aber freundlich. Sie stellte sich als Leila Lyk vor, stellvertretende Geschäftsführerin eines internationalen Unternehmens namens Vukodlak SA., und führte mich in den geschmackvoll eingerichteten Salon.
Dort wartete bereits eine zweite Dame und musterte mich mit hungrigem Blick. Ihre Präsenz war fast körperlich zu spüren und erzeugte das Verlangen, den Blick zu senken. Was ich mir aber verkniff, da ich die beeindruckende Gestalt keinen Moment aus den Augen lassen wollte: Mindestens 1,85 Meter groß, sportlich schlank und durchtrainiert, konnte sie es trotz ihrer schätzungsweise 35 Jahre noch immer mit jedem Model aufnehmen. Was für eine Frau!
„Das ist also deine Kandidatin, Leila?“, schnappte sie unvermittelt, als sei ich eine Puppe ohne Ohren und Verstand, und schritt abschätzend um mich herum. „Die habe ich mir anders vorgestellt, irgendwie beeindruckender. Bist du sicher, dass sie die Richtige ist?“
Ich hielt ihrem Blick stand, bemühte mich gleichzeitig, sie nicht anzustarren, und wartete darauf, dass die Dame in Grau mich erlöste.
„Vertrau mir, Urbana“, antwortete die prompt. „Du hast versprochen, sie nicht zu erschrecken, also halte dich zurück.“ Damit ließ sie ihr Gegenüber stehen und lud mich ein, auf der prunkvollen Sitzgruppe Platz zu nehmen.
In was war ich da nur hinein geraten? Sollte ich dem Ganzen vielleicht besser ein Ende machen und sehen, dass ich mit heiler Haut davon kam, ehe die beiden sich ernsthaft in die Haare gerieten?
„Urbana hat manchmal diese Wirkung auf andere, und sie genießt es!“ Unbemerkt hatte eine dritte Frau das Zimmer betreten. „Zeigen Sie ja nicht, dass sie Sie erschreckt hat, das stachelt sie bloß zusätzlich an!“
Neben mir stand eine junge Frau Mitte zwanzig und zwinkerte mir zu. „Nur keine Angst, sie beißt nicht, in Wirklichkeit will sie nur spielen!“ Sie lachte leise über ihren eigenen Witz, nickte der Angesprochenen zu und wendete sich mit einem freundlichen Lächeln wieder an mich. „Wir müssen Sie verwirrt haben, das tut mir Leid. Vielleicht sollte ich uns erst einmal anständig vorstellen: Ich bin Eva Wolff; Leila haben Sie ja heute Morgen schon kennen gelernt, und die Dame mit den schlechten Manieren ist unsere Chefin, Urbana Lupa.“
Das Untier hatte also einen Namen. Ich atmete auf und beschloss, mich nicht weiter ins Bockshorn jagen zu lassen. Zumindest diese Eva schien eine ganz normale Person zu sein, wenngleich sie wohl nicht wirklich etwas zu sagen hatte.
„Entschuldigen Sie unsere Unhöflichkeit“, meldete sich auch die Dame in Grau zurück und bot etwas zu Trinken an. „Und nun lehnen Sie sich zurück und hören sich an, was wir zu erzählen haben.“
Ich nickte, lehnte mich zurück – und hörte eine so unglaubliche Geschichte, dass ich nur immer wieder den Kopf schütteln konnte.
„Nun entscheiden Sie sich“, beendete Leila den Abend mit einem Blick auf die Uhr, die deutlich nach Mitternacht zeigte. „Sie haben jetzt zwei Möglichkeiten, mit dem Gehörten umzugehen: Entweder Sie halten uns allesamt für verrückt – dann sollten Sie nach Hause gehen und alles vergessen, was Sie gehört haben. Verarbeiten Sie den Stoff von mir aus zu einem Roman, das ist mir egal, solange Sie darauf hinweisen, dass die Geschichte völlig frei erfunden ist und keinerlei Verbindungen zu lebenden oder verstorbenen Personen bestehen.“ Dabei blickte sie mich so direkt an, dass ich zu schwitzen begann. „Oder aber Sie halten es für möglich, dass unsere Geschichte stimmen könnte. In dem Fall werden wir Sie bitten, alles aufzuschreiben.“
Ich wäre keine Autorin, wenn ich eine solche Chance verstreichen lassen würde, und so schlug ich ein. Leila wies mich noch einmal darauf hin, dass unter ihresgleichen eine mündliche Absprache ebenso bindend sei wie bei uns ein Vertrag, und ließ mich nach Hause bringen, dann war ich mit meinen Gedanken und Zweifeln allein.
Unsere Zusammenarbeit gestaltete sich nicht eben einfach,
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