Widersacher-Zyklus 05 - Nightworld
jetzt einen guten Meter über den Bürgersteig hinweg auf die Straße hinaus.
In vielleicht dreißig Metern Tiefe in der Westwand fand Glaeken den Eingang zu einem Seitengang. Er war vielleicht drei oder vier Meter breit und die einzige Unterbrechung in der ansonsten glatten Granitfläche. Glaeken schwang sich hinein und landete auf den Füßen. Er zog das Schwert und schritt voran. Er brauchte keinen Wegweiser, um zu wissen, dass Rasalom vor ihm war.
Das Licht folgte ihm, erfüllte den Tunnel, sobald er ihn durchquert hatte, warf seinen Schatten weit voraus und ließ dunkle Kreaturen aus dem Weg wuseln und schliddern.
Er stürmte voran, nicht rennend, aber doch mit langen, hastigen Schritten. Das Gefühl der Dringlichkeit stand immer noch hinter ihm und drängte ihn voran. Er schwang das Schwert in großen Streichen, erzeugte helle Lichtbögen in der Leere vor sich und schritt hindurch.
Aber als er tiefer und tiefer in den Tunnel hineinschritt, bemerkte er eine Dämpfung im Licht. Er drehte sich um und sah zurück, woher er gekommen war. Hinter ihm schien das Licht so hell und strahlend wie zuvor, aber hier unten wirkte es gedämpft, verschmiert, befleckt …
Das konnte nur bedeuten, dass er sich seinem Ziel näherte, dem Herzen der Finsternis.
Er war nicht viel weitergekommen, als das Licht ihn nicht länger umschloss und sich von ihm löste. Es blieb zurück und zwang ihn dazu, die lockende Schwärze des Tunnels vor sich allein zu erforschen.
Glaeken blieb in Bewegung, aber langsamer, vorsichtiger. Nur die Klinge glomm jetzt noch und auch das nur schwach, bäumte sich mühevoll gegen die dichter werdende Finsternis auf, die das Licht verschluckte. Bald darauf verlosch auch dieses Licht. Glaeken stand in einer gestaltlosen schwarzen Leere, kalt, still, wartend. Die Dunkelheit hatte gesiegt, vollständig.
Und dann, er hatte es gewusst, ertönte diese Stimme, diese verhasste Stimme, in seinem Kopf.
»Willkommen, Glaeken. Willkommen an einem Ort, an dem dein Licht nicht reicht. Meinem Ort. Ein Ort ohne Licht. Erinnert er dich an etwas aus deiner Vergangenheit?«
Glaeken verweigerte die Antwort.
»Geh weiter, Glaeken. Ich werde dich nicht aufhalten. Vor dir ist so etwas wie Licht. Eine andere Art Licht, die, die ich hier zulasse. Da sind keine Falltüren oder Tricks, das verspreche ich. Ich will dich hier haben. Ich habe auf dich gewartet. Die Verwandlung ist fast abgeschlossen. Ich will, dass du meine neue Gestalt bewunderst. Ich will, dass du der Erste bist, der mich so sieht. Ich will das Letzte sein, was du siehst.«
Glaeken spürte, wie seine Handflächen feucht wurden. Er war jetzt in einem Land, in dem Rasalom alle Regeln bestimmte. Er umklammerte den Schwertknauf fester und schritt voran in das Dunkel.
RADIO FWPW
JO: Okay, Leute. Wir hatten gerade jemand, der uns aus dem Lichtkegel über dem Central Park heraus angefunkt hat, und er sagt, das ist echtes Sonnenlicht. Hell, warm und die Krabbler scheuen davor zurück. Niemand weiß, wie lange das anhalten wird, aber in diesem Augenblick ist es da und diese Leute glauben, es wird da bleiben.
FREDDY: Deswegen haben wir uns jetzt etwas überlegt. Wir lassen dieses Band jetzt als Schleife laufen, dann verschwinden wir hier. Wir gehen selbst da hin. Wir haben diese Ansage auf dem Band, dann folgt ein Song der Travelin’ Wilburys, und das wird dann nonstop abgespielt.
JO: Und hier ist jetzt die Botschaft: Geht zum Licht. Macht euch auf den Weg zum Central Park West, wie auch immer, und geht in das Licht. Macht euch auf den Weg und viel Glück. Und solange ihr unterwegs seid, ist hier die passende Begleitmusik. Wir sehen uns da, Leute.
< Einspielung: Heading for the Light >
Trübes Licht vor ihm, das sich um die nächste Biegung des Tunnels zwängt.
Ein ungesundes Licht. Ein kränkliches, schwächliches, trübes Glimmen, das wie Schmiere an den Tunnelwänden klebt und keine Schatten wirft. Dieses Licht spendet keine Hoffnung, keine Erlösung aus dem Dunkel. Es ist nur eine Bestätigung der Allgegenwart der Nacht.
Als Glaeken sich dem schwachen Glimmen näherte, wurde es kälter und ein beißender Gestank stieg ihm in die Nase. Er folgte der nächsten Kurve und blieb stehen.
In der Mitte einer gewaltigen Höhle im Granit mit mehr als dreißig Metern Durchmesser hing Rasaloms neue Gestalt über einem schwach glühenden Abgrund. Vier ebenholzschwarz glänzende Pfeiler ragten von den Ecken der Höhle auf, erstreckten sich über den Abgrund und
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