Widersacher-Zyklus 05 - Nightworld
tintenschwarze Flüssigkeit an der Klinge hochspritzte, sie bedeckte, sich um sie verfestigte, die Wunde verschloss und das Schwert umgab, bis nur noch die Spitze des Hefts aus der erstarrenden teerartigen Masse hervorsah.
Und dann wurde Rasaloms Schmerzensschrei zu lautem Gelächter. Das riesige einsame Auge erschien wieder auf der anderen Seite der Membran und musterte ihn kalt.
»Ach Glaeken. Nobel bis zum Schluss. Das war wohl zu erwarten. Du wusstest wohl auch, dass du das tropische Idyll nie erleben würdest, das ich dir versprochen habe. Aber hast du wirklich geglaubt, du könntest mich verletzen? Hier im Herzen meines Reiches, im Zentrum meiner Macht? Deine Arroganz ist unerträglich. Es ist zu spät, mir zu schaden, Glaeken – schon seit langer Zeit.«
Glaeken versuchte erneut, seine Füße zu befreien, aber sie steckten fest. Er holte tief Luft und stand ruhig abwartend da und lauschte der verhassten Stimme in seinem Kopf.
»Du wusstest, dass es zu spät war, Glaeken. Du musst es die ganze Zeit gewusst haben. Aber obwohl du wusstest, dass es sinnlos war, hast du das Schwert angenommen und bist zu mir gekommen, statt zu warten, bis ich dich hole. Ich verstehe das einfach nicht. Kannst du mir deinen Wahnsinn, deine Arroganz erklären? Wir haben noch Zeit. Sprich!«
»Wenn die Antwort für dich nicht offensichtlich ist, dann kann ich reden, so viel ich will, du wirst es doch nicht verstehen. Wie geht es jetzt weiter?«
»Wir warten. Ich bin fast bereit. In der Nichtdämmerung werde ich fertig sein. Wenn ich aus meinem Kokon schlüpfe, dann werde ich dich hier zurücklassen und mich an die Oberfläche begeben, wo ich mich um deinen kleinen Kreis von Verbündeten kümmere. Und während ich sie abschlachte, wirst du durch meine Augen zusehen dürfen. Und was deine Frau angeht – da werde ich mein Versprechen dir gegenüber halten: Ich werde ihr vor ihrem Ende ihre Jugend und ihren Verstand zurückgeben – schließlich wollen wir doch nicht, dass sie stirbt, ohne zu wissen, was da mit ihr geschieht. Und wenn das alles erledigt ist, dann hole ich mir dich. Und dann fängt der Spaß erst richtig an.«
Glaeken blieb stumm. Es war sinnlos, um Gnade für sich oder die anderen zu bitten, da die niemals gewährt werden würde. Also schloss er die Augen und zwang sein Inneres zur Eiseskälte, um die panische Angst abzuwehren, die sich in ihm ausbreiten wollte.
Er hatte versagt.
»Und während wir warten, sollte ich vielleicht diese winzige Wunde in meiner ansonsten so perfekten Nacht schließen. Zu viele Leute ziehen daraus ein ungerechtfertigtes Vergnügen. Stell dir nur ihre Angst und ihre Enttäuschung vor, wenn das Licht erlischt und sie begreifen, dass sie eine hilflose Beute für all die Kreaturen der Nacht sind, die sie umschleichen. Ja, der Gedanke gefällt mir. Dieser winzige Nadelstich hätte mir selbst einfallen sollen. Ich hätte hier und da einen kleinen Lichtkegel auf die Welt scheinen lassen sollen, zu dem die Einheimischen eilen wie die Motten zur Kerze. Die hätte dann lange genug gebrannt, um die Hoffnung zu wecken, dann hätte ich sie ausgeblasen. Danke, Glaeken, du hast mir die Idee zu einem neuen Spiel gegeben.«
»Seht euch die alle an«, sagte Carol. »Das da unten müssen Tausende sein.«
Sie war mit den anderen zurück in Glaekens Wohnzimmer gegangen und jetzt schaute sie durch die zerbrochenen Fensterscheiben auf die Menge hinab und lauschte dem Lärm, der einsetzte, als jeder Neuankömmling lautstark begrüßt und umarmt wurde. Ein wohltuendes Geräusch, der Lärm von Menschen, die sich von unerträglicher Angst freimachten.
»Das liegt am Radio«, sagte Bill. »Der einzige Kanal, der noch sendet, verbreitet die Nachricht, dass jeder hierher kommen soll.«
Plötzlich wurde es unten still.
»Was ist passiert?« Carols Herz schlug plötzlich beunruhigt schneller und sie klammerte sich an Bills Arm. »Ich glaube, das Licht ist plötzlich schwächer geworden. Sag mir, dass ich mich irre, Bill. Sag mir, dass das nicht stimmt!«
Bill sah sie an, dann wieder aus dem Fenster.
»Nein … Ich fürchte, du hast recht. Da sieh – es wurde gerade wieder etwas schwächer.«
»Das ist Glaekens Schuld«, sagte eine vertraute Stimme.
Sie drehten sich alle um. Nick saß immer noch auf der Couch, wo sie ihn zurückgelassen hatten, und starrte noch immer in den ungeheizten Kamin.
»Glaeken hat verloren. Rasalom übernimmt die Macht.«
»Glaeken ist … tot?«
Das war Sylvia, die vortrat und
Weitere Kostenlose Bücher