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Widersacher-Zyklus 05 - Nightworld

Widersacher-Zyklus 05 - Nightworld

Titel: Widersacher-Zyklus 05 - Nightworld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Paul Wilson
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sich über Nick beugte. Carol war überrascht, dass es sie kümmerte. Sie hätte gedacht, Sylvia gäbe Glaeken die Schuld an Jeffys Zustand.
    »Noch nicht«, sagte Nick. »Aber bald. Wir werden sterben. Dann stirbt er. Aber langsam.«
    Carol hörte ein neues Geräusch von der Menge heraufdringen – ängstliches Gemurmel, panische Klagen. Sie wandte sich wieder zum Fenster und hatte den plötzlichen Eindruck, dass die Verzweiflungsschreie das Licht vertrieben. Sie sah mit wachsendem Entsetzen zu, wie es vom hellen Mittagslicht zu einem Abenddämmern verglomm.
    Sie haben wieder Angst.
    »Angst!«, rief sie. »Vielleicht liegt es daran.« Plötzlich wusste sie, was getan werden musste – oder sie meinte es zu wissen. »Bill, Sylvia, alle nach unten! Sofort!«
    Sie blieb nicht stehen, um es zu erklären, und sie wartete auch nicht auf den Fahrstuhl. Mit wachsender Aufregung und einem drängenden Gefühl hetzte sie die schwindelerregenden Treppenfluchten bis zum Erdgeschoss hinunter, stürmte durch die Lobby und hinaus auf den in Dämmerlicht gehüllten Bürgersteig.
    Bill war direkt hinter ihr, dann kam Ba, der Jeffy trug und Sylvia durch die unruhigen, verstörten Menschen geleitete. Carol führte sie zum Rand des vergehenden Lichtes, direkt an die Schattengrenze gegenüber dem Park, dann ergriff sie Bills Hand mit der rechten und die einer Unbekannten – einer verängstigt wirkenden schwarzen Frau – mit der linken Hand.
    »Ich werde keine Angst mehr haben!«, brüllte sie in die gähnende Dunkelheit hinein, die sie zu überwältigen drohte. Sie drückte die Hand der Frau. »Sagen Sie es! ›Ich werde keine Angst mehr haben!‹ Schnappen Sie sich die Hand von jemandem und sagen Sie es so laut Sie können.« Sie wandte sich an Bill. »Schrei es heraus, Bill. Du musst es wollen! Ergreif jemanden bei der Hand und bring sie dazu, es zu sagen!«
    Bill starrte sie an. »Was soll …?«
    »Tu es einfach. Bitte! Wir haben nicht viel Zeit.«
    Bill zuckte die Achseln, nahm die Hand der Person neben sich und begann den Satz zu wiederholen. Sie bemerkte, dass die junge Schwarze die Hand eines jungen Mannes ergriffen hatte und diesem den Satz weitergab. Carol drehte sich um und stand einer sehr böse dreinblickenden Sylvia gegenüber, die die Arme vor der Brust verschränkt hatte.
    »Komm schon, Sylvia!«
    Die schüttelte den Kopf. »Das ist verrückt. Das ist … Das ist Hippie-Blödsinn. So wie diese Friedensjünger in den Sechzigern, die mit ihren Friedensgesängen das Pentagon zum Schweben bringen wollten. Man kann Rasalom nicht wegsingen.«
    »Das weiß ich. Aber vielleicht können wir ihm einen Dämpfer versetzen. Sein ganzes Bestreben ist darauf gerichtet, uns zu isolieren, die Angst zu benutzen, um uns in einsame, kleine Inseln aufzuspalten. Aber sieh doch, was hier passiert ist. Ein einzelner kleiner Lichtstrahl und wir haben plötzlich eine ziemlich bevölkerte kleine Insel. Was, wenn wir bei seinem Spiel plötzlich nicht mehr mitspielen? Was, wenn wir uns weigern, uns wieder wimmernd in unseren Verstecken zu verkriechen? Was, wenn wir hier als Gruppe stehen und ihm trotzen? Da oben ist ein Schönheitsfehler, ein Loch in Rasaloms Nacht. Vielleicht können wir das offen halten. Vielleicht können wir es sogar erweitern. Was mehr können wir denn noch verlieren?«
    »Nichts, absolut gar nichts!«, sagte eine abgerissene Frau mittleren Alters neben ihnen. Sie zog Sylvias Arm weg von ihrer Brust und ergriff ihre Hand. »Ich werde keine Angst mehr haben!«
    »Schon gut, schon gut«, stieß Sylvia zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor, hielt Jeffy mit der einen Hand und die Hand der Frau mit der anderen. »Mach, was du willst – ich werde keine Angst mehr haben!«
    Carol spürte einen Kloß in der Kehle bei dem Trotz in dieser Stimme.
    Der Ruf nahm immer mehr Form an, erhielt einen Rhythmus, während er sich durch die Menge fortsetzte, und wurde lauter und lauter, als mehr und mehr Menschen sich ihm anschlossen …
    Und dann wurde das Licht um sie herum heller. Das Mehr an Licht war kaum zu spüren, aber es wurde bemerkt. Jubelgeschrei erklang aus der Menge und plötzlich glaubte jeder. Der Schlachtruf war plötzlich doppelt oder sogar dreimal so laut.
    Carol lachte, während ihr die Tränen in die Augen traten. Sie hörte Sylvias Stimme hinter sich.
    »Es funktioniert! Es funktioniert wirklich!«
    Jeder in der Menge machte jetzt mit und schrie das Mantra mit aller Kraft heraus. Und das Licht wurde heller und heller.

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