Wie die Hells Angels Deutschlands Unterwelt eroberten (German Edition)
dem Bandidos-Chapter in Hennigsdorf an der nordwestlichen Grenze Berlins lag, das als einer der bedeutendsten Clubs der Region gilt, der auch als Ausgangspunkt im Kampf um die Hauptstadt beschrieben wurde. Die Polizei spricht bei diesem Chapter von 20 Vollmitgliedern und bis zu 50 Unterstützern, die schon wegen Schusswaffenvergehen, eines Buttersäureanschlags und Schutzgelderpressung polizeilich aufgefallen sind. Die Einsatzkräfte beschlagnahmten Drogen, Bargeld, scharfe Schusswaffen, zwei gestohlene Motorräder und weitere Fahrzeuge. In einer Berliner Wohnung wurden weitere 25 Kilo diverser Drogen beschlagnahmt. Die Polizei entdeckte auch ein Chemielabor, das der Drogenherstellung, speziell der von Speed, gedient haben soll. Den verhafteten Bandidos wurde vorgeworfen, mit Kokain, Amphetaminen, Marihuana und dem rezeptpflichtigen Schmerzmittel Tilidin gehandelt zu haben. Der Präsident der Bandidos del Este in Hennigsdorf, Thorsten S., ist ein ehemaliger Berliner Polizist und jobbte später als Türsteher. Er gilt als bundesweit sehr gut vernetzt und bekleidet das wichtige Amt des Sargento de Armas in der nationalen Führung des Bandidos MC Germany, das es ihm erlaubt, Strafaktionen gegen übergelaufene Exmitglieder anzuordnen, so ein Ermittler.
Thorsten S., 38, ist wegen eines Raubüberfalls vorbestraft. Am 6. September 1997 überfiel er mit einem weiteren damals suspendierten Polizisten den früheren ADAC-Präsidenten. Sie drangen in dessen Villa ein, besprühten ihn und seine Frau mit Reizgas und fesselten das Ehepaar und die beiden anwesenden Enkelkinder. Um seinen Forderungen Nachdruck zu verleihen, führte S. an dem ADAC-Chef eine Scheinhinrichtung durch. Das Gericht wertete dieses rücksichtslose Vorgehen später als strafverschärfend und sprach eine siebenjährige Haftstrafe aus.
Dass das Henningsdorfer Chapter eine starke überregionale Rolle als zentraler Anlaufpunkt für den Berliner und Brandenburger Raum einnimmt, belegt auch der Umstand, dass bei der Razzia zahlreiche Bandidos aus NRW und Dänemark angetroffen wurden. Ein dänischer Rocker wurde mit internationalem Haftbefehl gesucht und sofort von einer Spezialeinheit festgenommen.
Wie wichtig das Chapter del Este für den Bandidos MC ist, stellte sich am 12. Juni 2012 heraus. Es war offenbar zu bedeutend, um der Gefahr einer Verbotsverfügung ausgesetzt werden zu können. Die Bandido Nation verkündete am gleichen Tag wie das Oberhausener Chapter die Auflösung dieser zentralen Vereinigung. Damit übernimmt der Bandidos MC die aktuelle Strategie der Hells Angels, wichtige Charter aufzulösen und so erst mal aus der juristischen Schusslinie zu nehmen. Das LKA in Brandenburg nahm den Schritt zur Kenntnis, hielt jedoch weiter an seiner Analyse fest, dass die Hennigsdorfer Rocker eine Schlüsselstellung bei der Neustrukturierung des Raums Berlin-Brandenburg einnehmen werden, und rechnet jederzeit mit einer neuen Chapter-Gründung.
Die Welt der Berliner Hells Angels befand sich nach der Verbotsverfügung in Aufruhr und in einer Phase der hektischen Neuordnung. So eine Reorganisation geht oftmals mit Intrigen und Machtkämpfen einher, gerade bei einer Vereinigung, die sich tief in der organisierten Kriminalität verstrickt hat. Es folgten drei hektische Neugründungen von Chartern, darunter Central und East Area. Um kein Machtvakuum entstehen zu lassen, verkündeten die Höllenengel bereits nach wenigen Tagen die neue Organisation. Sie bestätigten auch die Gründung des neuen Charters Hells Angels MC East District, in das sofort die mächtigen Berliner Nomads mit ihrem Boss André S. übergetreten sein sollen. Als Gründungsdatum wird offiziell der 27. Mai 2012 angegeben. Dies wäre zwei Tage vor der verratenen Razzia und dem Clubverbot gewesen, sodass die Angels hinterher behaupten konnten, dass sie zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht von einem drohenden Verbot wussten. Laut Statement von Hells-Angels-Pressesprecher Rudolf T. liegt dieses neue Charter »irgendwo in Berlin«. Experten gehen davon aus, dass darin die Berliner Nomads und die Männer von Kadir P. aus dem verbotenen beziehungsweise selbst aufgelösten Charter Berlin City zusammengeführt werden sollten. Es würde damit eines der größten, mächtigsten und prestigeträchtigsten Charter deutschland- und sogar weltweit entstehen. Als Präsident des Charters käme nur André S. infrage. Dies würde bedeuten, dass sich Kadir P. offiziell unterordnen müsste. Ein eigenständiges Charter, nur
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