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Wie die Hells Angels Deutschlands Unterwelt eroberten (German Edition)

Wie die Hells Angels Deutschlands Unterwelt eroberten (German Edition)

Titel: Wie die Hells Angels Deutschlands Unterwelt eroberten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Schubert
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weiter.
    Das Prinzip des »taking care of business« der amerikanischen Höllenengel fand in Deutschland eine seiner radikalsten Anwendungen. Die aggressive Expansionspolitik der letzten Jahre forderte nun ihren Tribut bei den großen Clubs. Wer schnell und einfach rekrutiert wurde, um einzig und allein die Kampfstärke des Clubs zu erhöhen, verfügte offensichtlich auch über keine besonders tiefen emotionalen Bindungen zu seinem Verein. Die Geister, die sie riefen, haben einen existenziellen Mythos der großen MCs nach dem anderen zerstört: Jahrelange Anwartschafts- und Prospect-Phase? Gilt in Deutschland schon lange nicht mehr. Ein Motorradführerschein und der Besitz einer eigenen Harley? Nicht unbedingt. Eine tiefe Verankerung in der Bikersubkultur? Nicht nötig und nicht möglich, denn dort war ja schon alles wegrekrutiert worden. Eine vorherige Clubzugehörigkeit bei einem Rivalen schließt einen Beitritt kategorisch aus? Ach, hör auf damit.
    Die öffentlich so sakrosankt gehüteten World Rules von Sonny Barger haben ihre Gültigkeit in Deutschland seit 1999 mehr und mehr verloren. Das propagierte Verständnis als eine Familie, eine lebenslange Bruderschaft erscheint nur noch wie der angestaubte Slogan einer veralteten, lästig gewordenen Werbekampagne. Während die Hells Angels sich über den polizeilichen Druck beklagen und selbst vor Vergleichen mit der Judenverfolgung im Dritten Reich nicht zurückschrecken, bemerken sie gar nicht, dass der größte Feind des Clubs sich bereits in ihren eigenen Reihen befindet. Doch wie mächtig ist der innere Feind heute?
    Der Innensenator sprach trotz der erfolgten Selbstauflösung ein Verbot gegen das 43 Mitglieder starke Charter Berlin City von Kadir P. aus. In der 39 Seiten starken Verbotsverfügung wurden Gewalttaten, Waffendelikte und Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz zur Begründung aufgeführt. Der Drogenhandel habe die Bereiche Cannabis, Amphetamine, Kokain und Anabolika umfasst. Der Verein verfüge über eigene Rauschgiftkuriere, Bunkerfahrzeuge und einen Kokainzester. Dutzende Frauen schickten die Rocker auf den Strich und kassierten oftmals den gesamten Verdienst ein. Zwei große Ermittlungsverfahren wegen Zuhälterei sind zurzeit noch anhängig. Zwei Hells Angels wurden außerdem wegen eines Überfalls auf einen Juwelier in Wedding festgenommen. Von der Beute, über 137 000 Euro, fehlt jedoch jede Spur. In der Verbotsverfügung werden auch Schutzgelderpressungen von Friseurläden in Tempelhof und Schöneberg aufgeführt und umfangreiche Türsteheraktivitäten der Hells Angels in Berliner Diskotheken.
    Ob dieses Verbot rechtswirksam sein wird, ist wegen der zuvor erfolgten Selbstauflösung unklar. Letztendlich werden Gerichte dies klären, denn der Hells Angels MC Berlin City reichte vor dem Oberverwaltungsgericht Klage ein, sodass es nötig werden wird, hier juristisches Neuland zu betreten.
    Freilich ist auch unverständlich, warum die Berliner Innenbehörde mehrere Jahre benötigte, um diese Verbotsverfügungen auszusprechen. Schwerste Gewalttaten, die als Vereinsaktivitäten gewertet werden könnten, gab es in der Hauptstadt der Rocker wahrlich genügend.
    Die Berliner Polizei rechnete als Reaktion auf die Übertritte mit einem Aufflammen der Gewalt zwischen beiden Clubs und wies dabei auf Racheaktionen gegen Überläufer in der Vergangenheit hin.
    Ein Rachekommando war angeblich bereits gestartet. Gerüchte sprachen von 100 kriegserfahrenen Bandidos aus Dänemark, die sich auf den 500 Kilometer langen Weg nach Berlin begeben haben sollen. Die Bundespolizei wurde ausgeschickt, um die deutsche Grenze zu sichern, doch die Gerüchte bestätigten sich erst einmal nicht. Jedoch zeigte die Sorge vor einer möglichen Internationalisierung des Berliner Rockerkrieges einmal mehr, in welchen Dimensionen deutsche Rocker mittlerweile planen und agieren können. Gleichwohl verstärkten sich die Hinweise, dass der Berliner Rockerkrieg europäische Reaktionen auslöste.
    Die Polizei hielt ihren starken Verfolgungsdruck aufrecht und ließ die Rocker nicht zur Ruhe kommen. Am 7. Juni 2012 rückten 1000 Polizisten, Spezialkräfte und auch die GSG 9 wieder einmal in Berlin und Brandenburg aus. Diesmal sollte jedoch kein Verbotsverfahren durchgesetzt werden. Die Großrazzia diente der Vollstreckung von sieben Haftbefehlen wegen bandenmäßigen Rauschgifthandels aus einem Ermittlungsverfahren von 2011. Durchsucht wurden über 70 Objekte, wobei der Schwerpunkt auf

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