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Wie die Iren die Zivilisation retteten

Wie die Iren die Zivilisation retteten

Titel: Wie die Iren die Zivilisation retteten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Cahill
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Apollos und Aphrodites. Archäologische Funde in keltischen Stätten
    außerhalb Irlands unterstreichen noch die Ungeheuerlichkeit des
    keltischen Pantheon, genauso wie die selten vorkommenden Götter
    im Tain. Als die Krieger von Connacht beispielsweise auf ihrem Weg nach Cuailnge ihre Zelte aufschlugen, spricht der Druide Dubthach beim Abendessen eine Prophezeiung aus. Die Vision, die er beschwört, ist zwar unklar, zeigt aber eine bevorstehende Schlacht, die damit endet, daß »überall Menschenfleisch« herumliegt – eine Formulierung, die der Verdauung der Truppen kaum förderlich gewesen
    sein kann. Während die Soldaten schlafen, kommt die Kriegsgöttin
    Nemain zu ihnen. »In dieser Nacht fanden sie keine Ruhe, denn ihr Schlaf wurde von Dubthachs bestialischen Schreien gestört. Ganze
    Gruppen schraken hoch, und viele blieben verängstigt, bis Medb kam und sie beruhigte.«
    Medb ist selbst eine Art Göttin. Ihr Name ist eine Ableitung des
    englischen Wortes mead und findet sich als Wurzel in vielen indo-europäischen Sprachen wieder. Es bedeutet soviel wie »sie, die trun-109
    ken macht« – auf diese Weise schläferte sie die Truppen vermutlich wieder ein. Was dem Schlaf eines Kriegers üblicherweise vorausging, war besinnungslose Trunkenheit.
    In der Nacht vor der letzten Schlacht zwischen Connacht und Ulster erschien eine dunkle, ständig die Gestalt wechselnde Göttin namens Morrigan »im Halbdunkel zwischen den beiden Lagern« und beschrieb in detaillierter Ausführung alle Schrecken des folgenden
    Morgens. In dieser Nacht sprachen zwei Kriegsgöttinnen, Nemain
    und Badb, »zu den Männern von Irland nahe dem Feld bei Gariech
    und Irgairech, und hundert Krieger starben vor Angst. Es war eine schlimme Nacht für sie«, schließt der Erzähler mit leichter Untertrei-bung.
    Eine dunkle Prophezeiung kann den Schlaf vertreiben, der nur
    durch exzessives Trinken zurückkommt, und ein düsteres Flackern in der Dämmerung oder ein Schrei in der Nacht kann hundert Männer
    töten: Unter dem Draufgängertum dieser Krieger, die ständig mit
    ihren todbringenden Waffen rasseln, verbirgt sich offenbar eine
    bebende Angst, die töten kann. Die bewußte Gleichgültigkeit gegen-
    über dem Tod, die sämtliche Helden des Tain auszeichnet, verdeckt eine unterbewußte Todesangst, die durch keine öffentliche Rhetorik ausgelöscht werden kann.
    Patrick bot diesen Krieger-Kindern in eigener Person eine lebendige Alternative. Es ist möglich, tapfer zu sein – und jeden Tag damit zu rechnen, »ermordet, verraten, versklavt zu werden – was immer mir geschehen mag« – und doch ein Mann des Friedens, ein Mann ohne
    Schwert oder den Wunsch zu töten, ein Mann, in dem die Angst vor
    dem Tod aufgelöst ist. »Dank der Verheißung des Himmels« hatte er
    »keine Angst vor diesen Dingen, denn ich habe mich in die Hände
    Gottes des Allmächtigen begeben«. Patricks Frieden war keine Heu-
    chelei; er strömte von ihm aus wie ein Duft. Und in einem feuchten Land, wo die Menschen nahe beieinander lebten und schliefen, hätte man früher oder später erfahren, ob Patricks Schlaf durch die Göttin des Trunkes beruhigt oder durch die Göttin der Angst gestört wurde.
    Patrick schlief tief und fest.
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    So wie es in der irischen Psyche eine Kluft zwischen bewußtem Mut und unbewußter Angst gab, finden wir auch andere bewußt-unterbewußte Dualitäten, die uns hervorragende Hinweise auf den
    wahren Charakter dieser scheinbar sorglosen Kriegerrasse geben. In praktisch allen irischen Geschichten stoßen wir zum Beispiel auf das keltische Phänomen des Gestaltwechsels. Die Iren schienen dieses
    Motiv für ebenso selbstverständlich zu halten wie wir die molekularen Strukturen: Die Welt war eben so. Der Gestaltwechsel war die
    Fähigkeit, sich in etwas anderes zu verwandeln, und dies übertraf bei weitem die Veränderungen bei einem Schüttelkrampf. In Amhairghins Schöpfungslyrik haben wir bereits ein schönes Beispiel für den Gestaltwechsel gesehen: Zuerst ist er eine Mündung, dann eine Welle, dann das Dröhnen des Meeres, dann ein Ochse, dann ein Habicht und so weiter. Auch wenn der heutige Leser all dies als Metapher begreift
    – die Iren glaubten wirklich, daß die Götter, Druiden, Dichter und alle anderen, die mit der magischen Welt in Verbindung standen, buchstäblich die Gestalt wechseln konnten. In Die Reise des Bran, Sohn des Fehal, in das Land der Lebenden feiert der Zauberer Tuan Mac Cairill sein wandlungsreiches

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