Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wie die Tiere

Wie die Tiere

Titel: Wie die Tiere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Haas
Vom Netzwerk:
von oben sehr gut gesehen, dass der Brenner in der schlechteren Position war. Der Architekt ist mit dem Rücken zur Wand gestanden. Normalerweise meint man das ja nicht positiv, aber in dem Fall war es sehr positiv. Weil der Brenner ist mit dem Rücken zur Luft gestanden, quasi Abgrund. Und der Architekt hat sich mit dem Rücken am Flakturm abgestützt und hat dem Brenner einen Tritt gegeben, dass die Magdalena ihn schon fliegen gesehen hat.
    Aber er ist nicht geflogen. Im Gegenteil. Er ist immer noch mit dem Rücken zur Luft auf dem Betonohr gestanden.
    «Du musst am Dach landen!», hat die Magdalena den Berti angeschrien.
    Aber der hat getan, als hätte er es nicht einmal gehört.
    «Du musst aufs Dach!»
    Am Dach hat der Flakturm diese vier schwimmbadgroßen Vertiefungen, in denen im Krieg die großen Flakkanonen gestanden sind. Von unten sieht man sie nicht, aber von oben sieht man sie gut, und heute sind das die reinsten Hubschrauberabwehrlöcher, weil da wäre zwischen den vier Löchern nicht einmal der Hubschrauber-Weltmeister so ohne weiteres gelandet.
    Aber interessant. Ob es nicht doch irgendeine höhere dings gibt. Dass der Brenner die Magdalena womöglich irgendwie über eine innere Verbindung gehört hat. Weil kaum dass die Magdalena geschrien hat, du musst aufs Dach, hat der Brenner dem Architekten eine getreten, dass der sich gerade noch am Betonohr gefangen hat. Und bevor der wieder gestanden ist, war der Brenner schon Richtung Dach unterwegs. Sechs, sieben Meter sind das bestimmt vom Betonohr bis zum Dach hinauf, aber da oben hat der Flakturm so viele Risse, dass es ein Wunder ist, dass das nicht alles miteinander schon längst einmal heruntergefallen ist. Und in der baufälligen Mauer kann man wunderbar Halt finden, jetzt war das, noch dazu in der besten Abendlichtbeleuchtung, fast ein Spaziergang für den Brenner. Der Architekt natürlich hinter ihm her, der hat nicht so schnell aufgegeben.
    Umgekehrt hat auch der Berti seinen Ehrgeiz gehabt, und er hat jetzt probiert, ob er den Hubschrauber nicht doch auf das Dach vom Flakturm stellen kann.
    «Heute ist Muttertag!», hat der Berti auf einmal gebrüllt, da hat man gemerkt, dass er doch ein bisschen um sein junges Leben fürchtet, weil ihm das so unvermittelt einfällt.
    «Um Gottes willen, und ich hab meine Omi in Polln nicht angerufen!», hat die Magdalena gebrüllt. Weil mitten in der Todesangst beschäftigst du dich oft mit den unwichtigsten Sachen.
    Aber der Berti hat den Hubschrauber jetzt ganz sauber abgesenkt, Zentimeter für Zentimeter, butterweich. Aus unmittelbarer Nähe hat der Flakturm nicht mehr wie eine Blume ausgesehen, sondern mit den vier Vertiefungen eher wie eine monströse Steckdose. Oder wie ein seit Jahrzehnten verlassener, voll geschissener Parkplatz mit vier riesigen kreisrunden Bombentrichtern drinnen. Sprich, der Albtraum von jedem Hubschrauberpiloten.
    «Das ist ein Himmelfahrtskommando!», hat der Berti geschrien.
    Und die Magdalena hat aufgeseufzt, nicht weil sie immer noch daran gedacht hat, dass sie ihre Omi nicht angerufen hat, sondern weil der Brenner schon wieder gelegen ist. Und der Architekt ist gestanden und hat versucht, ihn über den Rand des flachen Bunkerdachs zu treten.
    Meistens im Leben ist es nicht gut, wenn du am Boden liegst und ein anderer tritt dich. Aber in der Nähe von einem landenden Hubschrauber kann es auch einmal die bessere Position sein. Und ich weiß nicht, war es ein Föhnwirbel, der den Hubschrauber versetzt hat, oder war es ganz einfach die mangelnde Routine vom Berti, dass er ihn ausgerechnet in eines der Kanonenlöcher hineingesetzt hat.
    Grundsätzlich ist das Leben natürlich nie ganz ohne Risiko, da will ich nicht zu den Leuten gehören, die immer nur Vorsicht predigen, und besser mit eingezogenem Kopf durchs Leben gehen. Aber bei einer Sache bin ich heikel. Wenn ein Hubschrauber landet, dann soll man nie zu nahe hingehen. Und vorsichtshalber schon von weitem den Kopf einziehen, ich sage, das ist keine Schande. Natürlich sind die Rotorblätter höher oben als jeder Kopf. Aber eben nicht nur hoch oben, die haben auch einen viel größeren Durchmesser, als man glaubt. Jetzt stehst du als Passant, der neugierig bei der Landung zuschaut, vielleicht auf einem Wegrain, der liegt womöglich einen Meter höher als das Feld, wo der Hubschrauber landet.
    Oder wie es eben beim Berti war, dass er in das Becken für die Flakkanone hineingestolpert ist. Das war natürlich tiefer ab das Dach, auf

Weitere Kostenlose Bücher