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Wie die Tiere

Wie die Tiere

Titel: Wie die Tiere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Haas
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reagiert hat. Und war auch besser so. Weil die Magdalena ist dann dreimal um den Flakturm herumgegangen, da war nicht einmal eine Tür oder ein Fenster, wo man hineinschauen hätte können, alles zugemauert für die Ewigkeit, und die einzige Luke mit einem eisernen Laden verrammelt.
    Zum Glück war das Taxi noch nicht weg, ist sie gleich wieder damit heimgefahren. Und jetzt hat natürlich der Berti dran glauben müssen. Sie hat ihn so lange geschüttelt, bis ein bisschen Leben in seine Augenlider gekommen ist.
    «Mhm», hat der Berti gesagt. Da hat er noch überhaupt nichts mitgekriegt.
    «Steh auf! Wir müssen den Brenner finden!»
    «Mhm.» Jetzt ist schon ein hauchdünner Lichtstreif unter seinen Lidern hereingekommen.
    «Steh auf, du faule Aas!»
    «Mhm.»
    Ich sage, in so einem Fall bin ich für die Ohrfeige, und die Magdalena hat das auch so gesehen. Das wirkt oft Wunder, es reißt dir einfach die Augen auf, und beim Berti war das nicht anders als beim Hojac, das grelle Licht ist im Berti-Kopf aufgeflammt, dass er vor Schreck fast aus dem Bett gefallen wäre.
    Jetzt gute Frage. Warum ist es gleichzeitig beim Brenner noch brutaler hell geworden? So hell, als hätte er seinen Kopf bei der Sprengspalte ins Sonnenlicht hinausgestreckt. Von dort, wo er jetzt war, hat es schon so ausgesehen, als wäre die Sprengspalte breit genug, dass man einen Kopf durchbringt, vielleicht nicht so einen Quadratschädel, wie ihn der Brenner hat, aber einen normalen Kopf eventuell schon. Nur dass er immer noch zehn Meter von der Sprengspalte entfernt war.
    Einfache Erklärung für das Licht, dreißig Meter unter dem Brenner hat der Architekt die Baustellenscheinwerfer aufgedreht. Da hat leider die Magdalena mit ihrem Anruf bei der Ärztin den Sohn aufgescheucht. Jetzt hat der gewusst, er muss dringend die Baustelle aufräumen.
    Dem Architekt hat es natürlich gar nicht gefallen, dass nur eine Leiche da war. Aber die hat ihm zumindest den Weg gewiesen. Jetzt ist der natürlich dem Brenner hinterher, frage nicht. Der war doppelt so schnell wie der Brenner unterwegs, erstens hat er sich im Flakturm ausgekannt, zweitens hat er Licht gehabt, drittens war er gut ausgeschlafen und ein wunderbares Frühstück bei der Mama genossen, das hat ihm noch am Abend Kraft gegeben.
    Weil Frühstück ist das Wichtigste. Da hat die Amtsärztin immer geschaut, dass ihr Sohn schön alle Nährstoffe drinnen hat. Vom Kohlenhydrat bis zum Eiweiß und retour, frisches Obst und Gemüse, ja was glaubst du, und nur nicht zu viel Fett. Da kannst du als Mutter über die Jahrzehnte einen Körper bauen, Architekt nichts dagegen.
    Und was ist der Dank? Der verwöhnte Fratz klettert vor Kraft strotzend auf den Brenner zu. Und die Sprengritze immer noch zehn Meter vom Brenner entfernt. Da oben natürlich keine Stiege weit und breit. Die Klimmzüge sind ihm jetzt auch nicht mehr ganz so leicht gefallen, das muss ich ehrlich zugeben. Oder sagen wir einmal so. Ihm hat alles so weh getan, dass ihm der Liftschacht unter ihm schon als das viel kleinere Übel erschienen ist.
    Und im Vergleich zu dem gesunden Architekten ist ihm erst aufgefallen, mit was für einem Schneckentempo er sich schon die längste Zeit nur noch bewegen kann. Seine Arme waren so schwach, dass er nach jeder kleinsten Bewegung eine Minute Verschnaufpause gebraucht hat.
    Wenigstens frische Luft ist bei der Sprengspalte hereingekommen, und das war so wunderbar, dass der Brenner eine Idee gehabt hat. Weil eine ganze Minute ist natürlich eine lange Zeit, da kannst du zwischendurch was anderes tun. Jetzt hat er, während er dem Architekten zugeschaut hat, wie der immer näher kommt, doch noch einmal probiert, ob er nicht vielleicht schon von hier aus einen Empfang hat.
     

zwanzig
    Da gibt es immer wieder Leute, die behaupten, irgendetwas ist wie im Flug vergangen. Das Leben zum Beispiel. Dagegen ist an und für sich nichts zu sagen, manche Dinge vergehen sehr schnell, und da kann man sagen, wie im Flug.
    Aber wie die Magdalena jetzt neben dem Berti im Hubschrauber gesessen ist, da ist ihr die Zeit überhaupt nicht wie im Flug vergangen. Ich möchte fast sagen, noch nie sind ihr die Sekunden so lange geworden wie bei diesem Hubschrauberflug. Sie hat ja gewusst, dass der Berti die Pilotenlizenz noch nicht hat. Aber dass er sich so blöd anstellt, das hätte sie sich auch wieder nicht erwartet. Sonst hätte sie es sich vielleicht noch einmal anders überlegt und ihn doch nicht gezwungen, dass er mit ihr einen

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