Wie ein Blütenblatt im Sturm
vernichtend sich Liebe auswirken konnte. »Ich habe langsam den Verdacht, daß sich hinter deiner glatten, strahlenden Fassade ein romantisches Herz verbirgt«, sagte er trocken. »Wenn es so ist, dann lauf deinem Mann hinterher und wirf ihm dein bezauberndes Wesen zu Füßen. Bitte ihn um Verzeihung.
Du wirst es bestimmt schaffen. Ein Mann vergibt der Frau, die er liebt, sehr, sehr viel. Laß dich nur nicht ein zweites Mal in den Armen eines anderen erwischen. Ich glaube kaum, daß er dir noch einmal verzeiht.«
Ihre Augen weiteten sich. Als sie sprach, klang ihre Stimme, als wäre sie hysterischem Gelächter nah. »Deine Kaltblütigkeit ist legendär, aber die Berichte werden dir nicht einmal gerecht. Wenn der Teufel selbst hereinkäme, würdest du ihn wahrscheinlich fragen, ob er eine Partie Whist mit dir spielt.«
»Spiel niemals mit dem Teufel Whist, meine Liebe. Er schummelt.« Rafe nahm ihre eiskalte Hand und küßte sie leicht zum Abschied. »Sollte dein Mann deinem Flehen widerstehen, laß mich wissen, ob du dich mit einer unkom-plizierten, netten Affäre trösten möchtest.« Er ließ die Hand los. »Du weißt, daß du von mir niemals mehr bekommen wirst. Vor vielen Jahren verschenkte ich mein Herz an jemanden, der es zerbrochen hat. Nun habe ich keines mehr übrig.«
Das war ein guter Abgang, doch als er in das liebliche Gesicht des Mädchens blickte, hörte er sich sagen: »Du er-innerst mich an eine Frau, die ich einmal kannte. Aber du ähnelst ihr nicht stark genug. Niemals.«
Dann drehte er sich um und ging fort, aus dem Haus hinaus und die Stufen auf die Upper Brook Street hinunter. Seine Kutsche wartete, also schwang er sich auf den Bock und nahm die Zügel.
Ein Teil von ihm amüsierte sich über seine eigene Eitelkeit. Wie gut hatte der »Duke« die Szene doch wieder be-wältigt, dachte er spöttisch. »Duke« war der Spitzname, den Rafe sich selbst für seine Rolle in der Gesellschaft gegeben hatte. An diesem öffentlichen Bild hatte er jahrelang gefeilt und poliert. Als Duke war er der perfekte, unerschütterliche englische Gentleman, und niemand konnte diese Rolle besser als Rafe spielen.
Jeder Mensch brauchte einen Zeitvertreib.
Doch als er in die Park Lane einbog, war er sich unangenehm bewußt, daß er mehr von sich preisgegeben hatte, als es gut war. Zum Glück war Jocelyn nicht der Typ, der solche Dinge ausplauderte, und Rafe würde es ganz sicher nicht tun.
Während ihm durch den Kopf ging, daß er sich eine neue Geliebte würde suchen müssen, hielt er die Kutsche vor seinem Haus am Berkeley Square an. In den Wochen, die dem Ende seiner letzten Affäre gefolgt waren, hatte er keine Frau finden können, die ihn wirklich ansprach. Er hatte sogar schon überlegt, ob er die willfährigen Damen seines Standes aufgeben und sich eine Kurtisane mieten sollte. Es wäre einfacher, sich eine professionelle Geliebte zu halten, aber solche Frauen waren meistens geldgierig und ungebildet und nicht selten krank. Diese Aussicht reizte ihn wenig.
Aus diesem Grund war er erfreut gewesen, als die entzückende Jocelyn Kendal ihn diskret wissen ließ, sie sei eine Zweckehe eingegangen und würde nun Zerstreuung suchen. Er hatte sie schon vor ihrer Heirat bewundert, hatte aber Abstand gehalten, weil es strikt gegen seinen Ehrenkodex ging, mit unschuldigen Mädchen etwas anzufangen. In den Wochen, in denen er auf dem Land gewesen war, hatte er mit mäßiger Erwartung an sie gedacht und sie besucht, sobald er zurück war. Leider hatte die Lady offenbar seit ihrer Einladung ein wenig nachgedacht, und Rafe mußte sich woanders umsehen.
Um sich zu trösten, gratulierte er sich lieber dazu, daß er etwas vermieden hatte, was sich zu einer recht unan-genehmen Sache hätte auswachsen können. Er hätte es besser wissen müssen, als sich mit einem so romantischen Mäuschen einzulassen. Tatsächlich hatte er es besser gewußt, aber sie war wirklich die erfrischendste, an-ziehendste Frau, die ihm seit Jahren über den Weg gelaufen war. Sie war wirklich wie …
Er schnitt den Gedanken scharf ab. Der Hauptgrund seiner frühen Rückkehr nach London war nicht die Suche nach Zeitvertreib gewesen, sondern eine Nachricht seines Freundes Lucien, der eine geschäftliche Sache mit ihm besprechen wollte. Die Tatsache, daß die Geschäfte des Earl of Strathmore sich um Spionage drehten, bedeutete, daß seine Projekte meist recht interessant waren.
Sein Rang verschaffte Rafe Zutritt zu den obersten Gesellschaftsschichten,
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