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Wie ein boser Traum

Wie ein boser Traum

Titel: Wie ein boser Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Webb Debra
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– die Erkenntnis erzeugte keine Freude in ihm.
    Auf einen Befehl hin schwang das vier Meter hohe Tor mit dem Stacheldraht obendrauf auf, knarrend und ächzend, als wollte es Clint nur widerstrebend in die lang ersehnte Freiheit entlassen. Holman Prison, dieses Rattenloch, spuckte seine Insassen, die es verschlungen hatte, keineswegs gern wieder aus. Allenfalls dann, wenn sie nach dem Maßstab Gottes und des Gefängnisleiters angemessen bestraft worden waren.
    Die Furcht wurde zu schierer Panik, konzentrierte sich tief in Clints Magengegend, umklammerte seine Brust. So lange hatte er auf diesen Augenblick gewartet. Der
blanke Schrecken breitete sich in ihm aus, drängte ihn, zurückzukehren in das geschützte Refugium seiner zwei mal drei Meter großen Zelle – an den einzigen Ort, wo er sich in dieser verdammt langen Zeit zumindest ein bisschen sicher gefühlt hatte.
    Clint unterdrückte diese Regung und konzentrierte sich auf die Hoffnung, die das geöffnete Tor darstellte. Seine Hände ballten sich zu Fäusten, die Beinmuskeln verkrampften sich in dem Drang, loszulaufen, aber die Fesseln und die Angst lähmten ihn noch immer. Der Schweiß trat ihm aus allen Poren, während er mühsam atmete. Er ermahnte sich, ruhig zu bleiben, sich zu konzentrieren, keine jähen Bewegungen zu machen. Die Erinnerung an das erlittene Leid nahm ihn vollständig gefangen.
    Der Wärter rechts von ihm schloss die Handschellen auf und gab ihm den Schlüssel. Clint beugte sich vor und löste mit zitternden Händen die Stahlbänder der Fußfesseln. Im Aufrichten reichte er dem Wärter den Schlüssel zurück.
    Und nun? Man hatte ihm keine Entlassungspapiere ausgehändigt, keine Anweisungen gegeben, wie er weitermachen sollte. Sein Verstand hatte ihn verlassen, zurückgeblieben war nur ein wundes Gefühl, genährt von Verwirrung und Zweifeln.
    »Worauf zum Teufel wartest du, Austin?« Der Wärter links von ihm schlug ihm mit dem Knüppel in die Milz. »Hau endlich ab, sonst beschließen wir noch, deinen armen, bedauernswerten Arsch hierzubehalten.«
    Clints Herz schlug laut in der Brust, drängte ihn zum Handeln. Ein weiterer Hieb des Gummiknüppels entfachte den seit langem in ihm schlummernden Zorn und
befeuerte den Mut, der ihn heute Morgen verlassen hatte. Er stieg aus den gelösten Fußfesseln und widerstand der Versuchung, einfach wegzulaufen, ohne einen Blick zurückzuwerfen.
    Die Wärter würden ihn beobachten und hoffen, dass er eine aggressive Bewegung machte … es juckte sie, ihre Waffen einzusetzen. Und die Scharfschützen auf den Wachtürmen würden jede seiner Bewegungen durch die Visiere ihrer Hochgeschwindigkeitsgewehre verfolgen und um eine Gelegenheit beten, den Planeten von einem weiteren wertlosen Stück Scheiße zu säubern. Dass Clint unbewaffnet war, spielte keine Rolle; sie würden sich schon irgendein Märchen ausdenken, was sich an diesem Morgen abgespielt hätte.
    Aber dies würde nicht passieren. Er war draußen.
    Clint machte die vier nötigen Schritte, um die Grenze, den Zaun, zu überschreiten, der umgab, was seit Ewigkeiten sein Zuhause gewesen war; dann blieb er wie angewurzelt stehen. Er drehte sich langsam um, ließ die Hände locker in der von ihm erwarteten devoten Haltung an der Seite herabbaumeln. Als er den Gefängnisleiter erblickte, wie er so dastand, geschützt von den Wärtern, sah er ihn zum ersten Mal seit über zehn Jahren lächeln.
    Clint sagte kein Wort, bemühte sich nicht um irgendwelche obszönen Gesten, egal, wie sehr diese Leute sie verdient hatten; er starrte den Gefängnisleiter an, zwang ihn, sich mit der unangenehmen, unabweislichen Wahrheit abzufinden, dass dieser seinen Kampf verloren hatte. Diese drei, vier Sekunden machten für Clint die Jahre des Schmerzes und des Leids beinahe wett.
    Beinahe .

    Der ungewaschene Jeansstoff und das steife Polyester seines Hemds kratzten auf der Haut. Seine Zehen steckten in billigen Schuhen, die bestimmt ein, zwei Nummern zu klein waren, damit sie drückten. Eine Sozialleistung des Staates Alabama – wenn man denn eines seiner Gefängnisse überlebte. Wenn und falls du entlassen wirst, kriegst du neue Klamotten und bekommst deine persönlichen Besitztümer zurück, die du bei der Einlieferung abgegeben hast. In Clints Fall war es nicht viel. Seine Geldbörse, die den abgelaufenen Führerschein und zwanzig Dollar enthielt.
    Allerdings erwarteten ihn zu Hause auch keine größeren Vermögenswerte. Dafür aber hätte er ungehinderten Zugriff auf

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