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Wie ein boser Traum

Wie ein boser Traum

Titel: Wie ein boser Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Webb Debra
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dafür gebetet, das Mädchen zu sein, das er – vielleicht – ansprach.

    Er kam näher. Sie blieb wie angewurzelt stehen. Gleich würde er direkt an ihr vorbeigehen. Würde er sie wiedererkennen? Würde er stehen bleiben?
    Sie drückte sich mit dem Rücken gegen die Fassade aus Backstein. Sie könnte zum Auto zurückgehen … in einen Laden huschen … wie der Teufel losrennen … irgendetwas tun, nur um ihm aus dem Weg zu gehen.
    Rund zehn Meter entfernt überquerte er plötzlich die Straße, kam direkt auf sie zu, aber mit der schmalen Straße zwischen ihnen.
    Er streckte die Hand nach der Tür eines Autos aus – seines Wagens. Der alte rote Firebird, den er damals gefahren hatte. Als es eigentlich so weit war, einzusteigen, hielt er inne, als hätte jemand seinen Namen gerufen – oder als hätte er das Gefühl gehabt, sie würde ihn beobachten.
    Emily blieb fast das Herz stehen, als ihre Blicke sich trafen.
    Jedes grauenerregende Detail der Ereignisse jener Nacht blitzte in ihren Gedanken auf. Das Blut … der Kampf. Der Schmerz der Erkenntnis, dass ihr Tun nicht ausgereicht hatte …, den Tod ihrer besten Freundin vielmehr sogar verursacht hatte.
    Austin brach den Blickkontakt ab und stieg in sein Auto.
    Als er rückwärts aus dem Parkplatz bog und davonbrauste, kehrte das Gefühl für Zeit und Ort zurück. Zum ersten Mal seit jener Nacht stand Emily das Geschehen in klaren Bildern vor Augen. Sie hatte Austin von ihrer Freundin wegreißen wollen. Sie hatte mit den Fäusten auf ihn eingeschlagen, gebrüllt, er solle aufhören. Alles vergebens. Es wäre ganz leicht gewesen. Niemand hätte
ihr die Schuld gegeben, ihr Handeln hätte sicherlich als Notwehr gegolten. Das Messer, das er gegen Heather gerichtet hatte, hatte auf dem Boden gelegen … sie hätte es mühelos ergreifen können. Und da hatte sie ihren zweiten Fehler begangen.
    Sie hätte ihn töten sollen, als sie noch die Gelegenheit dazu hatte.

3
    Büro des Bewährungsbeamten
15.25 Uhr
     
    Der Ärger hatte schon begonnen, nicht mal einen Häuserblock vom Rathaus entfernt. Polizeichef Ray Hale wollte unter allen Umständen verhindern, dass diese erste Welle des Bürgerprotests einen Dominoeffekt auslöste. Er war seit zehn Jahren Polizeichef der Stadt, die Menschen, denen er diente, hatten ihr Leben weitergelebt, alte Wunden waren verheilt, und eine schmerzliche Tragödie war in der Erinnerung verblasst. Jetzt war das Schlimmste in der Vergangenheit von Pine Bluff wiedergekehrt, und offenbar konnte nichts die Entwicklung aufhalten.
    Ray hatte geglaubt, seine drückende Verantwortung würde leichter, sobald Clint Austin wieder ein freier Mann wäre. Aber es war anders gekommen. Eher traf das Gegenteil zu, denn heute Morgen musste er sich ganz anderen Realitäten stellen. Der Mann, den er aus dem Gefängnis nach Hause gefahren hatte, trug die Maske einer fast beängstigenden Gleichgültigkeit. Die strengen
Bewährungsauflagen hatten verlangt, dass Clint das Haar kürzer trug als früher. Die blasse Gesichtshaut zeigte an, dass er all die Jahre nur wenig an der frischen Luft gewesen war. Der Glanz der Jugend und seine Kraft waren verschwunden. Irgendwann während seiner Inhaftierung hatte er sich eine hässliche Platzwunde zugezogen, zurückgeblieben war eine starke Narbe direkt unter dem linken Wangenknochen. Früher war Clint schlank und drahtig gewesen, heute hatte er eine muskulösere Figur. Die auffälligste Veränderung betraf seine Augen. Ein lebloses Graugrün, in denen sich eine beunruhigende Leere spiegelte.
    Nein, Clint war nicht mehr der, den Ray damals auf der Highschool und in jenen letzten Tagen des Prozesses gekannt hatte. Darüber empfand er tiefes Bedauern.
    Und zur Krönung dieses ohnehin schon miesen Tages hatten Troy Baker und seine Freunde auch noch eine Protestaktion gestartet, um ihren Widerstand gegen Clints Freilassung öffentlich kundzutun. Ray holte frustriert tief Luft. Troy war ein gesetzestreuer Bürger und unter normalen Umständen ziemlich gelassen und vernünftig. Doch die derzeitigen Umstände waren alles andere als normal. Troys Schwester war das Mordopfer gewesen. Seine Familie hatte alles in ihrer Macht Stehende getan, um Clints Antrag auf bedingte Strafaussetzung abzuschmettern, aber vergebens, und letztlich die Entscheidung des Bewährungsausschusses akzeptieren müssen. Troys Absichten jedoch hatten sich keinesfalls geändert und waren so offensichtlich, als wenn er ihm einen Fehdehandschuh hingeworfen hätte.

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