Wie ein Hauch von Zauberblüten
hielt sie umklammert. Das Rütteln und Schütteln, die Schläge, die den Wagen durchzitterten, wenn er über die waschbrettähnliche Straße fuhr und in tiefen Löchern versank – es kam ihnen wie ein sanftes Wiegen vor. Das Motorengeräusch war ein herrlicher Gesang, das Knirschen und Rumpeln der Räder klang in ihren Ohren wie Glocken.
Mooslachner schnarchte laut. Er hatte die Schuhe von sich gestreift, und Oppermann sah entsetzt, daß die Füße nur noch eine blutige Masse waren.
Dann schlief auch er ein, eingewiegt vom Rütteln des Lastwagens und eingehüllt von dem tiefen Frieden, der über ihn gekommen war.
Wir leben.
Noch am frühen Morgen, gleich nach der Ankunft des Lastwagens in Rundu auf der Lepra-Station, für die er Waren gebracht hatte, wurde die Regierung in Windhoek alarmiert, raste Major Henrici mit seinem Jeep zur Station, holte man in Outjo den Polizeichef aus dem Bett. Auch der Beamte, der in der Telefonzentrale der Windhoeker Regierung Nachtdienst hatte, hielt es bei dieser Meldung für angebracht, Herbert Winneburg mit viel Entschuldigungen zu wecken. Die Patres in der Leprakolonie hatten Luba, Oppermann und Mooslachner sofort auf die OP-Tische gelegt und versorgt. Sie lagen noch darauf, als Major Henrici in den Operationssaal stürzte.
Luba hatte man eine leichte Narkose gegeben. Ein Arzt behandelte ihre aufgerissenen Schultern mit einem Antibiotikumspray, das einen durchsichtigen Schutzfilm über das rohe Fleisch zog. Dr. Oppermann lag auf dem Tisch daneben und versuchte seinem Kollegen vergebens klar zu machen, daß er sich vorzüglich fühle und nur Ruhe brauche.
»Das bestimme ich jetzt!« sagte der Arzt, ein älterer Mann, und drückte ihn auf den OP-Tisch zurück. »Sie haben hier gar nichts zu sagen, Herr Kollege. Ihr Zustand ist ernst – ist das klar?«
»Nein!«
»Ihr Körper hat die Grenze der Belastbarkeit praktisch schon überschritten, nur der Schädel nicht. Der ist so dick, daß da nur eine Axt helfen würde. Sie bekommen jetzt eine Kreislaufstütze, eine geballte Ladung Vitamine und pennen zwei Tage lang. Dann reden wir weiter.«
Pater Mooslachner lag auf dem dritten Tisch und sah zu, wie man seine Füße umwickelte. Der Prior der Lepra-Station stand neben ihm, hatte die Hände gefaltet und sagte erschüttert:
»So etwas nenne ich ein Wunder.«
»Ich nicht.« Mooslachner grinste. »Man muß nur immer zu sich sagen: Reiß dich zusammen, altes Arschloch, du kannst es doch!« Er hob den Kopf, blickte sich im OP um, winkte den anderen Patres zu und ließ sich wieder zurücksinken. »Liebe Brüder, habt ihr Bier?«
»Ja!« sagte der Prior laut.
Mooslachner streckte sich wohlig. »Dann bin ich zu Hause.«
Am gleichen Morgen rief der Polizeichef von Outjo Johann Prusius an. Ein Ovambo, der bei der Polizei als Bote arbeitete, lief zur Station, trommelte Urulele aus dem Bett und von der warmen Seite Nkuleles und schrie:
»Sie sind wieder da! Sie leben! Sie sind in Rundu! Sie sind wieder da!«
Franziska Maria Nkulele heulte wie ein Schakal und sagte: »Nun wird das doch eine Fehlgeburt.« Aber diesesmal geriet Urulele nicht in Panik. Er hüpfte durch das Zimmer wie ein Kaninchen, polierte mit beiden Händen seine Glatze und sang sein deutsches Lieblingslied: »Wer soll das bezahlen …« Dr. Oppermann hatte es ihm mit Geduld und Freude beigebracht.
Prusius nahm die Mitteilung mit steinernem Gesicht zur Kenntnis.
»Das freut mich sehr«, sagte er knapp am Telefon. »Da kann man ja die Bilder im ›Deutschen Haus‹ wieder abhängen. Wer hätte das gedacht …«
In aller Eile, aber ohne Hetze, packte er in sein Flugzeug, was er für diesen Fall, von dem er gehofft hatte, daß er nie eintreten würde, bereitgestellt hatte. Als letztes hängte er eine Ledertasche, gefüllt mit Banknoten, um seinen Hals. Unterlagen, die man verbrennen mußte, gab es nicht. Prusius arbeitete mit seinem Kopf, nicht mit Notizen.
Er tankte voll auf, nahm auch noch soviel Treibstoff mit, wie er Platz im Laderaum hatte und stieg empor in den lichten Morgenhimmel, fast um die gleiche Zeit, als in Rundu die drei Geretteten aus dem OP zu ihren Betten gerollt wurden.
Prusius drehte noch eine Ehrenrunde über Outjo, blickte hinunter auf die kleine Stadt im Veld, nahm Abschied von seinem Lebenswerk und verschwand: ein silberner Punkt im gleißenden Sonnenlicht. Nicht einmal Wehmut lag in seinem Herzen, nicht die Trauer um ein aufgegebenes Leben, an dem drei Generationen gebaut hatten. Er empfand
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