Wie ein Stein im Geroell
Schmieds. Er war kleiner, als es auf den ersten Blick schien, denn er war sehr schlank. Dunkles kastanienfarbenes Haar, ein wenig gewellt und mit einem Seitenscheitel, eine breite Stirn und unter wohlgeformten Augenbrauen kleine, aber so lebendige Augen. Ein nicht allzu großer Mund, immer ein Lächeln auf den Lippen, und wenn er einmal doch nicht lächelte, war man regelrecht erstaunt über seinen ernsten Gesichtsausdruck.
Der Onkel saß lieber neben dem Kutscher auf dem Bock, für den Fall, daß er ihm mit den beiden Stuten helfen sollte. Ich traute mich anfangs gar nicht, von meinen Füßen aufzuschauen, die vom Rock fast bedeckt waren, aber nach kurzer Zeit lachte ich schon über das, was Jaume erzählte. Er hatte so ein offenes, natürliches Wesen und so viel Witz, daß ich bald jegliche Scheu vor ihm verlor. Seinem Blick aber, wenn er mir in die Augen schaute, konnte ich während der ganzen Fahrt nicht standhalten.
I ch weiß nicht, weshalb alle Conxa zu mir sagten. In Wirklichkeit hieß ich nämlich Concepció, aber das war viel zu lang, wo sie uns Kindern doch ständig hatten hinterherrufen müssen. So ist das eben gekommen. In unserer Familie gab es vor mir niemanden, der so hieß, obwohl Assumpció, Encarnació, Trinitat und Concepció ziemlich gebräuchliche Namen waren. Ich blieb einfach Conxa, und bis heute weiß ich nicht, wer mich zum ersten Mal so und nicht mehr Concepció genannt hatte. Conxa war eben einfach kürzer. Ich war überzeugt, daß man dabei an eine unförmige Matrone denken mußte, und weil ich so dünn war, hatte ich jedes Mal Angst, ausgelacht zu werden, wenn man mich nach meinem Namen fragte, und dann ging es mir eine Weile richtig schlecht. Aber Jaume sagte mir, mein Name zergehe ihm auf der Zunge. Das sei der Name von etwas ganz Winzigem und Süßem, und er gefalle ihm ausnehmend gut. Man hätte meinen können, Jaume sei einzig und allein nur deshalb auf der Welt, um mir all meine Ängste zu nehmen, ein Licht anzuzünden, wo ich nur Dunkelheit sah, und um alle Hindernisse aus dem Weg zu räumen, wenn sie sich vor mir wie ein riesiger Berg aufzutürmen schienen.
Bevor ich ihn wiedersah, und das war recht bald, hatten mir Onkel und Tante und Delina bereits alles über ihn erzählt. Über ihn und seine Familie. Er war wirklich der Sohn der Ferrers aus Sarri. Er war der Zweitgeborene, und sein älterer Bruder, der verheiratet war und Kinder hatte, würde später einmal alles erben. Deshalb gab es für ihn dort kein Fortkommen, und so hatte er ein Handwerk gelernt. Bessergesagt zwei. Er war Maurer und Schreiner, und er arbeitete mal hier und mal dort, eben da, wo es ein Haus zu bauen oder instand zu setzen gab. Es hieß, er sei sogar bis ins Vall d’Aran gekommen. Man hielt ihn für fleißig und gescheit, aber wegen seiner Arbeit auch für so etwas wie einen Vagabunden, freier und von daher auch sorgloser als die meisten anderen, die immer nur auf das Stück Land schauten, das sie zu bearbeiten hatten, oder hoch zum Himmel, um auszukundschaften, was sich dort zusammenbraute. Ich merkte wohl, daß sie in ihm in gewisser Hinsicht einen Außenseiter sahen, jemanden, der es verstanden hatte, seinen Weg zu machen, der sich seinen Leuten deshalb aber auch irgendwie entfremdet hatte. Wenn er wenigstens Schmied geworden wäre wie sein Großvater, hatte ich sagen gehört. Ganz schwer war mir ums Herz nach all diesen Geschichten, fast krank wurde ich davon, und ich nahm mir vor, mir all das aus dem Kopf zu schlagen, diese Fahrt und diesen Mann, der meine kleine alltägliche Welt in neue, leuchtende Farben getaucht hatte.
Aber er kam wieder, gleich am Donnerstag. Der Platz lag im strahlenden Sonnenlicht. Wir nutzten das gute Wetter und saßen draußen mit unserem Strickzeug oder mit den Betttüchern, die wir ausbessern wollten. Er konnte so lustige Geschichten erzählen. Kaum daß wir ihm ein paar Augenblicke zugehört hatten, schon lagen unsere Hände untätig im Schoß, die der Tante, die Delinas, die des jungen Mädchens von den Melis und meine eigenen. Ich hatte nur solche Angst, daß mein Herzschlag unser Lachen übertönen und meine geröteten Wangen mich verraten würden. Bevor er wieder fortging, fragte er noch, ob es in der nächsten Zeit kein Fest in Pallarès gebe. Er habe Lust zu tanzen, und in Sarri sei der Hund begraben.
Delina meinte zu ihm, es ist schon seltsam, daß du so viele Tage hintereinander in deinem Dorf bleibst, und er schaute mich an, bevor er ihr Antwort gab, und
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