Wie ein Stein im Geroell
und Orte der Erinnerung. Hätte sie sich für das Spanische als Literatursprache entschieden – alles schien ja dafür zu sprechen: der Druck des Regimes, der infolge der massiven, vor allem südspanischen Einwanderung bilingual gewordene Alltag der Katalanischen Länder, das größere Publikum, die besseren Verlagsangebote – wäre die katalanische Literatur heute vielleicht eine marginale Angelegenheit, so wie es zuweilen beim Okzitanischen der Fall ist. Dann hätte sich wiederholt, was schon einmal geschehen war, als sich die Literaten in der frühen Neuzeit zugunsten des Kastilischen vom Katalanischen abgewandt hatten. Umsonst wäre dann die mühsame Renaixença (Wiedergeburt) der katalanischen Literatur im 19. Jahrhundert gewesen, die als Ausdruck eines neu erwachten nationalen Bewußtseins an das Goldene Zeitalter der katalanischen Kultur im Mittelalter anknüpfen wollte, umsonst dann auch der fulminante Anschluß an die europäische Moderne, so wie ihn die katalanischen Schriftsteller und Künstler zu Beginn des letzten Jahrhunderts vollbracht haben. Maria Barbals Generation aber ist dem Katalanischen als Literatursprache treu geblieben. Sie hat jene Wörter, die von den Autoren der unmittelbaren Nachkriegszeit über die «lange Nacht des Schweigens» hinweg gerettet worden waren, auch zu ihren eigenen gemacht und an die nachfolgende, an die heutige Generation weitergereicht, damit diese Wörter – «només fràgils mots de la nostra llengua, arrel i llavor» – literarisch weiterleben, damit die katalanischen Schriftstellerinnen und Schriftsteller all das, was sie empfinden und denken, auch weiterhin in ihrer eigenen Sprache ausdrücken können.
Pere Joan Tous, im Dezember 2006
Kleines Glossar
Conxa Der Name Conxa wird in etwa wie «Cóntscha» ausgesprochen.
Die Schale mit Basilikum Beim Patronatsfest oder anderen besondern Festen war es in den Tälern der katalanischen Pyrenäen Brauch, daß die jungen, unverheirateten Männer und Frauen – sowohl nach der Messe als auch während der Mahlzeiten in den Häusern selbst – Schalen mit Basilikumzweigen und Stücken von coca , einem aus Eiern, Milch, Mehl und Zucker hergestellten großen, flachen Kuchen, herumreichten. Als Gegenleistung wurde dafür eine kleine Spende für die Kirche erwartet.
Der Brief auf Seite 71f. ist im Originaltext in spanischer Sprache verfaßt. Katalanisch wurde an den öffentlichen Schulen erst während der Republik unterrichtet, so daß die Mehrheit der katalanischen Bevölkerung damals – wenn überhaupt – nur Spanisch/Kastilisch schreiben konnte.
Esquerra Republicana Im Februar 1931 schlossen sich verschiedene Gruppierungen zur linksnationalistischen Esquerra Republicana de Catalunya («Republikanische Linke Kataloniens») zusammen, die die Gemeindewahlen im April desselben Jahres für sich entscheiden konnte. Zwei Tage nach den Wahlen erfolgte in Barcelona die Proklamation der Katalanischen Republik, auf die allerdings nach Verhandlungen mit der vorläufigen Zentralregierung in Madrid zugunsten einer nationalen, autonomen Regierung innerhalb der Spanischen Republik verzichtet wurde.
Generalitat Mit dem historischen, bis ins Mittelalter zurückreichenden Namen Generalitat de Catalunya wird an die Tradition der wichtigsten katalanischen Regierungsinstitutionen angeknüpft, die bis 1714 Bestand hatten und als Symbol und Garant katalanischer Eigenständigkeit galten.
Jaume Der Name Jaume wird in etwa wie «Dscháume» ausgesprochen.
Mateu Der Name Mateu klingt im Katalanischen ähnlich wie der Imperativ des Verbs «matar» (töten), also in etwa wie «tötet [ihn]».
Militärputsch in Afrika Der Militärputsch gegen die demokratisch gewählte Republik begann am 17. Juli 1936 im damaligen spanischen Protektorat Marokko und erreichte am nächsten Tag die Halbinsel.
porró Ein bauchiges oder kegelförmiges Trinkgef äß aus Glas, das mit einer langen Tülle versehen ist, aus der man den Wein direkt in den Mund fließen läßt.
Maria Barbal , 1949 in den Tremp (Pyrenäen) geboren, lebt in Barcelona und gilt als eine der wichtigsten und erfolgreichsten katalanischen Autorinnen der Gegenwart. Pedra de tartera (Wie ein Stein im Geröll) ist seit der Erstveröffentlichung 1985 bereits in 50 Auflagen erschienen und wurde ins Spanische, Französische und Portugiesische übersetzt. Ihr letzter Roman – País íntim (Inneres Land, 2005) – erhielt den angesehenen Prudenci Bertrana-Preis.
Pere Joan Tous wurde in Capdepera
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