Wie entführt man einen Herzog?
Clarissa war fähig, ihre Drohung wahr zu machen. Schlimm für Penny. Schlimmer aber noch für Tim. Der würde nicht mehr so tun können, als wisse er von nichts. Er wird mir die Freundschaft kündigen müssen, dachte Adam entsetzt. Womöglich würde er sich sogar verpflichtet fühlen, ihn zum Duell zu fordern. Sie würden einander gegenüberstehen und die Waffen aufeinanderrichten. O Gott, das durfte auf keinen Fall geschehen!
Angestrengt überlegte er, wie er das Schreckliche abwenden konnte. Doch ihm wollte nichts einfallen. Stattdessen sah er Pennys blasses Gesicht vor sich. Wie würde sie reagieren, wenn die Mitglieder der guten Gesellschaft, die ihr das Leben bisher schon so schwer gemacht hatten, sie bei jeder Gelegenheit an die Sünden ihres Gatten erinnern würden? Arme Penny! Sie würde sich wahrscheinlich wieder ganz und gar in die Welt ihrer Bücher flüchten, sich in der Bibliothek einschließen und allen Menschen aus dem Weg gehen.
Vielleicht wird sie nie wieder ein Wort mit mir reden!
Es war alles so verflucht ungerecht! Denn ihm konnte Clarissa am wenigsten schaden. Ganz gleich, was sie behauptete, ganz gleich, was er tat oder nicht tat, ganz gleich, wie schockiert seine Mitmenschen waren, er würde doch immer der Duke of Bellston bleiben. Nicht er würde die tiefsten Wunden davontragen, sondern die Menschen, die ihm am meisten auf der Welt bedeuteten.
Was also sollte er tun? Clarissa erwartete, dass er die Affäre mit ihr wieder aufnahm. Das aber würde er nicht machen, denn auch damit würde er jene Menschen verletzen, die er vor Kummer und Schmerz schützen wollte.
Adam kam zu einem Schluss. „Ich weiß, dass du durch und durch schlecht bist“, sagte er überraschend ruhig. „Ruiniere mich! Ich habe nichts anderes verdient. Aber glaube ja nicht, du könntest je wieder auf irgendeine Art auch nur die geringste Macht über mich ausüben. Ich lasse mich nicht von dir erpressen. Ich bin ein für alle Mal fertig mit dir.“ Damit wandte er sich ab und verließ den Raum mit stolz erhobenem Kopf.
Penelope saß am Schreibtisch. Sie hatte die Brille abgenommen und schaute verträumt in den Garten hinaus. Sie sah alles etwas unscharf. Trotzdem wusste sie genau, dass die Sonne in Wales heller schien. Auch die Luft war hier besser. Adam hatte recht gehabt. Hier konnte sie glücklich sein.
Plötzlich fiel ein Schatten auf den Tisch. Jemand war ins Zimmer gekommen.
Obwohl sie im ersten Moment erschrak, fasste Penelope sich rasch. „Tim!“ Überrascht lächelte sie ihn an. „Was, um alles in der Welt, bringt Sie nach Wales?“
„Hat Adam nicht erwähnt, dass wir Nachbarn sind?“
„Nein.“ Sie setzte die Brille auf. Jetzt bemerkte sie, dass Timothy ziemlich mitgenommen wirkte. Sein Reitmantel war schmutzig, sein Haar vom Wind zerzaust. Schlimmer aber war, dass er schon jetzt – es war noch nicht einmal Mittagszeit – nach Whisky roch.
„Und warum“, meinte Timothy spöttisch, „hat er Sie wohl nicht davon in Kenntnis gesetzt?“
Angestrengt versuchte Penelope sich zu erinnern. Hatte Adam wirklich nie erwähnt, dass seine Ländereien an die der Coltons grenzten? Er hatte erzählt, dass er seit seiner Kindheit mit Tim befreundet war. Aber sie hatte nicht weiter darüber nachgedacht. Es war ihr auch selbstverständlich erschienen, dass Clarissa und Timothy an dem Ball teilgenommen hatten, der schließlich mit dem Brand endete. Trotzdem konnte sie sich jetzt des Gefühls nicht erwehren, dass Adam manches absichtlich verschwiegen hatte.
Sie straffte die Schultern. „Vermutlich hat er angenommen, ich wisse das sowieso.“
„Dann hat er wohl auch angenommen, Sie seien sowieso schon darüber informiert, dass er sich gerade mit Clarissa trifft?“
„Das würde er nicht tun!“
„Ach nein? Ich komme gerade von dort. Ich habe sie zusammen gesehen.“
Ungläubig schüttelte Penelope den Kopf.
„Habe ich Ihnen jemals einen Grund gegeben, mir zu misstrauen?“ Er schaute sie an. „Tatsache ist, dass Clarissa London schon vor ein paar Tagen verlassen hat. Wir hatten gestritten, aber das ist nichts Ungewöhnliches. Deshalb dauerte es eine Weile, bis mir klar wurde, was sie vorhatte. Natürlich folgte ich ihr. Doch man ist nicht so schnell, wenn man mit Kindern reist. Die Kleinen sollten schließlich nicht allein in London zurückbleiben.“
„Ich bin sicher, dass Adam sich nicht mit Clarissa getroffen hat“, wiederholte Penelope.
„Wie kommt es dann, dass sein Pferd in meinem Stall
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