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Wie es uns gefällt

Wie es uns gefällt

Titel: Wie es uns gefällt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Ackroyd
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Rücksichtnahme, oder?»
    «Wenn ich vor diese Herren trete, werde ich ihn von allen Vorwürfen entlasten.»
    «Vorwürfe?»
    «Von jeder Verantwortung.»
     
     
    «Mary, schau dir das an.» Charles faltete die Zeitung zusammen und reichte seiner Schwester eine Notiz quer über den Frühstückstisch, die kurz den neuesten Stand der Dinge im Fall Ireland zusammenfasste. William sollte demnächst vor der Kommission erscheinen.
    Sie überflog den Artikel. «Das nenne ich Inquisition.» Klirrend fiel ihre Tasse in den Teller. Ihr Vater zuckte zusammen. «Darf jetzt schon jede selbsternannte Autorität William verhören und verleumden?» Ihre heftige Reaktion überraschte Charles. In den letzten Wochen schien sie jedes Interesse an Ireland verloren zu haben. Sie war ganz gelassen und ruhig geworden. «Wer kann bezweifeln, dass es sich um Originaltexte handelt? Charles, würdest du ihm schreiben und unsere Unterstützung zusichern?»
    «Ich bin nicht überzeugt, ob er – »
    «Gut, gut, dann werde ich es tun. Wenn du nicht so viel Anstand besitzt, um einem Freund zu zeigen, dass du loyal zu ihm stehst, dann werde eben ich das an deiner Stelle tun.» Sie stand vom Tisch auf. «Ich werde ihm jetzt schreiben. Auf der Stelle.»
    Mr Lamb sah zu ihr hinüber. «Heute keine Marmelade. Morgen Marmelade.»
    «Mr Lamb, erregen Sie sich nicht.» Mrs Lamb musterte ihre Tochter leicht abfällig. «Mary, setz dich wieder hin. Ich bin sicher, Charles wird Mr Ireland gerne schreiben.»
    «Du kannst nicht für Charles sprechen.»
    «Tizzy! Bring noch heißes Wasser.»
    «Mama, hast du mich gehört?»
    «Ich höre dich immer, Mary, auch wenn es mir manchmal anders lieber wäre.»
    «Selbstverständlich werde ich ihm schreiben.» Das scharfe Auftreten seiner Schwester beunruhigte Charles. «Ich werde ihm unsere Sorge mitteilen.»
    Als Tizzy die Kanne hereinbrachte, setzte sich Mary. «Außerdem musst du ihm versichern, dass wir voll und ganz von der Authentizität der Manuskripte überzeugt sind.»
    «Muss ich das?»
    «Das ist äußerst wichtig.»
    Mrs Lamb warf ihrem Sohn rasch einen Blick zu. «Es kann nichts schaden, Charles. Außerdem wird es deine Schwester freuen.» Mary begann, mit ihrem Schultertuch das Buttermesser zu polieren. «Mary, bist du sicher, dass das, was du gerade tust, höflich ist?»
    «Mama, ich lese gerade Boethius, Der Trost der Philosophie.»
    «Was hat denn das damit zu tun?»
    «Höflichkeit ist nur ein Spiel. Wir müssen in der ewigen Welt leben.»
    «Das werden wir, so Gott will, aber noch verweilen wir nicht dort.»
    In der Annahme, der Sturm habe sich gelegt, griff Charles erneut zur Zeitung und stieß auf einen Bericht über einen Mord, der kürzlich im White Hart Inn verübt worden war. Das Opfer war eine ältere Waschfrau, deren Leiche man kopfüber in einem Bierfass gefunden hatte. Der Mörder war noch nicht gefasst.
    Charles begann, den Bericht laut vorzulesen, aber Mary unterbrach ihn und sagte: «Diese Gewalttaten sind mir unerträglich. In London begegnen mir auf Schritt und Tritt Barbarei und Grausamkeit.»
    «Mary, Städte sind nun mal Stätten des Todes.» Manchmal verspürte er ein diebisches Vergnügen, seine Schwester mit leicht perversen Themen zu necken. «Erst kürzlich habe ich gelesen, dass man die ersten Städte über Friedhöfen erbaut hat.»
    «Also sind wir die wandelnden Toten. Hast du das gehört, Papa?»
    Mr Lamb trötete wie eine Trompete und lachte los.

13
     
     
     
    Eine Woche nachdem William Ireland die Einladung der Shakespeare-Kommission schriftlich angenommen hatte, wurde er vorgeladen. Der Ausschuss trat an einem Sonntagvormittag in den Räumen der Schottischen Gesellschaft über einem Kaffeehaus in der Warwick Lane zusammen. Mehrere Kupferstiche von Highland-Regimentern zierten die Wände des Büros. William war mit seinem Vater gekommen, der vor der Tür am Treppenabgang auf ihn wartete. Samuel Ireland hatte sich sofort von unten Kaffee, Toast und Branntwein kommen lassen. Als William seine Aussage machen wollte, öffnete Samuel die Tür einen Spaltbreit, um die Vorgänge besser hören zu können.
    Mr Ritson und Mr Stevens saßen nebeneinander hinter einem schmalen Eichentisch. Mr Ritson, der eine modisch geschlungene Krawatte trug, war ein aufgeweckter, lebhafter Mensch, der gerne Grimassen schnitt, wenn er erstaunt war oder etwas nicht glauben wollte. William schätzte ihn auf höchstens fünfunddreißig Jahre. Mr Stevens war älter und wirkte ernster. Wie sagte

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