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Wie es uns gefällt

Wie es uns gefällt

Titel: Wie es uns gefällt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Ackroyd
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untere ist. Gib acht, da ist ein Riss im Teppich!»
    De Quinceys Zimmer war ziemlich karg. Er hatte zwar ein Bett, und auf dem Teppich stapelten sich die Bücher, aber sonst gab es kaum Möbel. Unaufhörlich drang durch das Fenster der dumpfe Lärm der Stadt herein.
    «Ich habe mich schon oft gefragt, wo du wohnst», meinte Ireland.
    «Mir gefällt’s hier.» De Quincey klang ganz fröhlich. «Ich empfinde mich als Londoner. Ich mache jetzt die Flasche auf.»
    «Ich habe mein ganzes Leben in der Innenstadt gewohnt. Einige Plätze mag ich sogar, aber echte Liebe empfinde ich nicht für diese Stadt.»
    «Und warum nicht? Schließlich hat sie dir Erfolg gebracht.»
    «Und wird mich vielleicht vernichten.» William trat ans Fenster und sah draußen dem Straßenkehrer zu, der die ganze Straße fegte. «Heute Abend wird das Stück zum letzten Mal gespielt.»
    «Vortigern?»
    «Sechs Vorstellungen. Ich dachte, es würde noch länger – »
    «Aber doch nicht im Ernst?»
    Ireland drehte sich um. «Was meinst du damit?»
    Einen Augenblick wusste de Quincey keine Antwort. Schließlich sagte er: «Shakespeare ist gewöhnungsbedürftig. Er ist nichts für ein modernes Publikum.»
    «Trotzdem hatten wir eifrige Verfechter. Diese Zeilen habe ich aus der Evening Gazette ausgeschnitten.» Er zog ein Blatt aus seiner Tasche und las laut vor:
     
    «Entrissen ward dem Orkus dieses Stück,
    das Shakespeares Namen trägt. O Glück!
    Allein sein Nam’, der Wunder köstlich uns gebracht,
    verdient, dass man dies Werk gerecht betracht’.»
     
    De Quincey lachte. «Ein jämmerlich schlechtes Gedicht.»
    «Da hast du recht. Das hätte selbst ich besser schreiben können.» Ireland ließ sein Gegenüber nicht aus den Augen. «Trotzdem vertritt es einen gerechten Standpunkt.»
    «Selbstverständlich.»
    Ireland schien beruhigt zu sein. «Tom, ich werde dir etwas erzählen, was sonst nur wenige wissen. Ich kann mich doch auf dein Stillschweigen verlassen.» De Quincey nickte kaum merklich. «Unter dem großen Manuskriptvorrat, den mir mein Gönner geschenkt hat, habe ich noch ein Heinrich-Drama gefunden.»
    «Wie bitte?»
    «Heinrich der Zweite. Das ist doch eine Sensation, oder?» De Quincey ging zu einer Kiste aus Nussbaum, die neben seinem Bett stand, und holte eine Flasche Maconochie-Portwein heraus. Auf der anderen Seite befand sich eine Waschkommode samt Wasserkrug. Aus dem unteren Schrankteil holte er zwei Gläser. Dabei fiel ihm zum ersten Mal auf, dass an der einen Seite des Waschbeckens das Email abgeplatzt war und sich verfärbt hatte.
    «Hast du das Stück schon jemandem gezeigt?»
    «Mein Vater hat es gesehen. Er hat die Blätter an Mr Malone weitergeleitet, der sie bereits als Werk des Barden identifiziert hat.»
    «Hat sonst noch jemand dieses Manuskript gelesen?»
    «Sonst niemand. Bisher jedenfalls. Wir warten noch auf den richtigen Zeitpunkt. Sobald man den wahren Wert von Vortigern erkannt hat. Wollen wir anstoßen?»
    De Quincey schenkte den Portwein ein, dann erhoben sie ihre Gläser.
    «Auf Heinrich!», rief Ireland.
    «Auf Heinrich. Möge der Beste gewinnen.»
    «Was soll das heißen?»
    «Ist nur so ein Ausdruck. Hat nichts zu bedeuten.»
    «Mein Vater wollte das Stück unbedingt gedruckt sehen, aber ich habe ihm geraten abzuwarten. Wenn es so schnell nach Vortigern erscheinen würde – »
    «Möchte man vielleicht nicht mehr an einen Zufall glauben?»
    «Ganz genau. Im Penkies gibt es eine Stelle, worin ein Freudenmeer auf ihn stürzt.»
    « ‹Die Ufer meines Lebens überschwelle.› Meinst du das? ‹Und mich in Lust ertränkt.›»
    «Du kennst das Stück. Trotzdem behaupten einige Leute, Perikles sei nicht von Shakespeare.»
    «Einige behaupten immer alles Mögliche.»
    «Das ist genau mein Dilemma.» Rasch trank Ireland seinen Portwein aus. «Darf ich?» Er setzte sich auf die Bettkante. «Inzwischen ist der Besucherandrang so groß», sagte er, nachdem ihm de Quincey nachgeschenkt hatte, «dass mein Vater Eintrittskarten drucken ließ. Unser kleines Museum ist zum Wallfahrtsort geworden, genau wie er prophezeit hat. Habe ich dir schon erzählt, dass eines Morgens der Prinz von Wales aufgetaucht ist?»
    «Nein!»
    «Von Kopf bis Fuß in blassblaue Seide gehüllt. Der alte Schandfleck höchstpersönlich. Zuvor stürzte tatsächlich so ein wirrköpfiger Höfling herein und meinte, wir sollten uns fertig machen. Was hätten wir denn tun sollen? Uns in Schale werfen? Dann kam Seine Hoheit hereingewatschelt, Prinz

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