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Wie halte ich das nur alles aus?: Fragen Sie Frau Sibylle (German Edition)

Wie halte ich das nur alles aus?: Fragen Sie Frau Sibylle (German Edition)

Titel: Wie halte ich das nur alles aus?: Fragen Sie Frau Sibylle (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sibylle Berg
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man erwähnt, man würde Sport verweigern, einfach weil man alt sei. Es gibt, möchte man den aggressiven Sportfanatikern zurufen – und ich meine weder Profis noch Menschen, die abends Dehnungsübungen machen, sondern euch, die ihr auch ständig mit Wasserflaschen herumrennt und die ihr euch unsterblich wähnt –, noch andere Arten, sein Leben herumzubringen. Man kann Musik machen, Theater spielen, kiffen, malen, Karten spielen. Man kann eigentlich alles, solange man andere nicht belästigt damit und sein kleines Leben nicht über andere erhebt. Man muss den Verfall nicht forcieren, es macht keinen Spaß, krank zu sein und hinter einem Tropf durch Krankenhausgänge zu rollen, aber man kann ihn nicht aufhalten. Auch mit der Befolgung aller Regeln wird man sterben. Das ist die schlechte Nachricht. Die gute fällt mir, die lieben Leser werden es ahnen, wie immer nicht ein.

Vierter Teil
    Sie Frau, Sie Randgruppenkollegin!

    Nicht nur eine Frage des Geschlechts?

Warum ziehen sich Frauen
    eigentlich für Herrenmagazine aus?

    Die Familie sitzt am Kaminfeuer, im Hintergrund die Serenade Nr. 2 g-moll op. 69 b von Sibelius, es schneit: Henriette von Glöckelberg erhebt sich, wie es ihrer Erziehung geschuldet ist, mit langsam fließenden Bewegungen.
    »Schaut«, hebt sie nach ihrer Rückkehr zum Tisch aus polierter Feuerlandkirsche an, »hier habe ich mein Vermächtnis an die Welt.« Die junge Gräfin, die sich nicht um ihren Titel schert, allein eine Verpflichtung spürt sie der Welt gegenüber, legt das Herrenmagazin auf den Tisch.
    »Es sollte Kunst sein, ich wollte nichts Normales.« Die Familie beugt sich über die Aktaufnahmen der jungen Frau.
    »Sehr ästhetisch, hier stehen deine Nippel ein wenig zu sehr ab, aber eindeutig, es ist Kunst«, raunt der Vater.
    »Nichts, wofür man sich schämen muss, da ist doch nichts zum Schämen am nackten Körper, so sind wir doch geboren«, pflichtet Henriette bei, die Professorin für angewandte Kybernetik ist.
    »Wenn Frauen nicht mehr wissen, was sie tun sollen, ziehen sie sich aus, und das ist wahrscheinlich das beste, was Frauen tun können. So sagte Samuel Beckett«, sagt Henriettes Großvater schelmisch.
    Er mag die Bilder, und die Vorstellung, sich später auf dem Urinal beim Anblick seiner Enkelin an seine Testikel zu greifen, die mag er auch.
    »Die kann ich mal meinen Kindern zeigen«, sagt Henriette und denkt an die kleinen rotbäckigen Racker. Vielleicht wird ein Mädchen dabei sein, und die Kleine wird mit dem Erreichen der Geschlechtsreife auch so schöne, ästhetische Aktkunstfotos von sich machen lassen, und dann lägen sie nebeneinander: Mutter und Tochter mit ihren schönen, nackten Nippeln, und hätten es geschafft.
    Henriettes Mutter ist ein wenig skeptisch. Beim Einschenken des Tees fragt sie behutsam, um die Gefühle der Tochter nicht zu verletzen: »Aber Kind, war das denn nötig? Du bist doch Geisteswissenschaftlerin, und du weißt, was Männer mit solcherlei Zeitungen machen«, dabei blickt sie, von einem unklaren Impuls getrieben, zu ihrem schmunzelnden Vater.
    »Nein, Mutter«, sagt Henriette, »diese Zeitungen werden von durchaus kultivierten Männern vornehmlich wegen der interessanten Textbeiträge gekauft. Es ist eine Ehre, zwischen Artikeln von Nobelpreisträgern abgebildet zu werden, in diesen unvergleichlichen Kunstfotos, die die Ästhetik des weiblichen Körpers aufs vorzüglichste zeigen. Weißt du«, sagt Henriette und blickt zu ihrer vierzigjährigen Mutter, »ich bin jung, mein Körper ist schön, und später werde ich ihn nicht mehr herzeigen können. Selbst Voltaire sagte: Die Frau ist ein menschliches Wesen, das sich anzieht, schwatzt und sich auszieht.«
    Der Vater nickt. Der Baron weiß um die Freuden, die ein Weib zu verschaffen mag – allerdings nicht seine Gattin, die ist intellektuell und verklemmt, was nach Meinung des Barons einander bedingt.
    »Ich finde«, sagt die zweiundzwanzigjährige Henriette forsch, »eine Frau kann zeigen, was sie hat. Es geht doch ums Frausein, um die Schönheit des Körpers.«
    »Ja«, stimmt der Großvater ein, »Frauen und Pferde sind unvergleichliche Geschöpfe.«
    Damit war alles gesagt. Die Familie beugte sich über die Kanapees.

Kann ich mit 46 Jahren die Haare
    noch lang und offen tragen?

    Sind Sie wahnsinnig? Sie sind schon fast tot, Frau, Sie können doch die Natur oder Geschlechtspartner, die sie von hinten begehren, nicht überlisten. Und hören Sie: Es ist zwar der Job einer Frau,

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