Wie halte ich das nur alles aus?: Fragen Sie Frau Sibylle (German Edition)
Altenpflegerinnen. Na, sowas passiert. Es passiert, weil keine solidarischen Frauen in wichtigen Posten der Wirtschaft sitzen – ja, die Wirtschaft, die die Politik in dunklen Stunden vielleicht ein klitzekleines bisschen manipuliert. Natürlich werden Sie es selber schaffen, die Bedingungen sind grandios. Männer lieben es zu teilen, sie stehen drauf, Macht abzugeben. Sie sind um die dreißig, und Sie haben nichts mit all den anderen Frauen zu tun, die es nicht schaffen. Sie dummes, dummes Ding!
Haben unsere Feinde ein Geschlecht?
Frauen müssen gerne mal als Schuldige herhalten – egal wofür. Das ist natürlich eine bequeme Ausflucht, um der wahren Herausforderung aus dem Weg zu gehen. Denn eigentlich sollten Mann und Frau gemeinsam gegen jene kämpfen, die unsere Welt in Stücke schneiden.
Mutter nervt, Frau nervt, Tochter nervt. Weil sie was wollen. Im Zweifel, dass der Mann etwas aufhängt oder mal da ist oder mal weg ist. Der gequälte Mann ist vielleicht Journalist. Er hat Gefühle und sucht ein Ventil. Er überlegt sich ein Knaller-Aufmacher-Thema. Das starke Geschlecht sucht seine neue Rolle, zum Beispiel. Mal wieder die Frau, die man dann hassen kann – wegen der These mit den schwachen Männern. Sich endlich mal wieder als Opfer zeigen können. Die Jungs in der Schule, Sie wissen schon …
In der Redaktionskonferenz klopfen sich die Herren auf die Schenkel. Vielleicht kauert auch irgendwo eine Frau, sie ist aber gutgelaunt, das Jahr ist noch jung. Endlich was über verunsicherte Männer machen, genau. Das bringt Auflage, Quote, das haben männliche Leser gerne. Leserkommentare wird es hageln, regnen, schneien, o Mann, es schneit noch nicht mal. Vermutlich sind die Frauen schuld.
Die Frau in Indien weiß, wie sie sich korrekt zu verhalten hat. Sie stirbt aus und ist dann mal weg. Bei uns nerven sie noch rum. Quengeln, sind bissig und wollen nicht im Stehen pissen. Nichts ist mehr, wie es war, nichts ist mehr sicher, das haben selbst die Männer gemerkt. Nicht einmal Zeitungen funktionieren mehr wie früher. Also, okay, sie funktionieren schon noch wie früher, es kauft sie nur kaum noch einer. Könnte daran liegen, dass die Betrachtung der Welt durch die eine Hälfte der Menschheit, die männliche, die andere Hälfte, die weibliche, nicht mehr rasend interessiert.
Dazu kommen die Homosexuellen, denen die männliche heteronormative Sichtweise auch zu langweilig geworden ist, weil sie sich ja nicht so sehr bewährt hat. Für die meisten. Für zwei Prozent, männlich, die das Vermögen der Welt unter sich aufteilen, schon. Also: Frauen weg, Homosexuelle weg, da bleiben nicht so viele, und die jungen Menschen lesen lieber ihre eigenen Blogs. Daran sind die Frauen schuld. Die uns schwach machen.
Denn darum geht es doch, oder?
Um unsere Vormacht, die angegriffen wird! Nicht ernsthaft!?! Allein der Versuch ist doch eine Sauerei. Die Sau. Weiblich. Da müssen wir schnell aufklären, wachrütteln, Unruhe stiften! Statt zu sagen: Kinder, wir waren alle auf dem falschen Weg.
Unsere wahren Feinde haben aber kein Geschlecht, sondern einfach das Geld. Und sie wollen mehr davon, und sie fressen uns, den Rest. Egal, als was wir auf die Welt kamen oder wen wir lieben. Aber wer will sich schon mit denen da oben anlegen, wenn man nicht einmal an sie herankommt. An die Chefs, an die Milliardäre, an die paar, die alles fressen. Lieber nicht.
Hauen wir uns also die Köpfe ein, streiten wir um Selbstverständlichkeiten wie Gleichberechtigung, bekämpfen wir uns. Aus Angst, weil es keine Sicherheit mehr gibt. Diese schöne Sicherheit unserer Eltern, die kleine Spanne in der Geschichte, die gibt es nicht mehr, alles ändert sich, und nicht zum Guten. Daran muss ja wer schuld sein.
Der Feind kommt aus den eigenen Reihen. Es sind Männer, die gerade die Welt in Stücke schneiden und sich damit füttern. Irgendetwas verändern könnte man vielleicht. Zusammen. Alle, wir alle, wir 90 Prozent.
Eine süße Theorie? Geradezu rührend naiv und weiblich. So bin ich nun mal. Ein vergnügliches Missverstehen und ein gutes Jahr Ihnen allen.
Wo kämen wir hin, wenn alle heiraten dürften?
Gerade sitze ich in Paris, an der Place des Vosges, in diesem Hotel, von dem ich immer annahm, ich würde es mir nie leisten können. Diese eleganten Häuser, vor denen man steht, als junger Mensch, durch Buchsbaumarrangements auf gelbes warmes Licht schauend und denkend: Das ist für Erwachsene. Genauso wie ich früher dachte,
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