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Wie halte ich das nur alles aus?: Fragen Sie Frau Sibylle (German Edition)

Wie halte ich das nur alles aus?: Fragen Sie Frau Sibylle (German Edition)

Titel: Wie halte ich das nur alles aus?: Fragen Sie Frau Sibylle (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sibylle Berg
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begehrt zu werden, etwas vorzutäuschen, was sie dann nicht einlösen kann, aber Sie sind doch raus aus dem gebärfähigen Alter. Schneiden Sie die Haare ab, schneiden Sie sich den Kopf ab! Aber Sie werden es auch dann nicht richtig machen, denn Sie sind der geborene Fehler. Wir Frauen sind so. Wir sind immer zu dünn oder zu dick, wir sind zu geliftet oder zu hässlich, wir sind zu gefärbt oder zu ungefärbt, zu leise oder zu laut. Wir treffen nicht die Mitte. Die Mitte wäre nicht vorhanden sein, zu Hause sein, folgsam sein.
    Da hat sich immer noch nichts geändert. Die Maßstäbe der Bemessung zwischen Männern und Frauen sind nicht dieselben. Männer sind nicht zu alt. Sie sind sicher nicht zu fett. Sie sind politisch, sind aktiv, sind Forscher, sind verdiente Nobelpreisträger. Wir Frauen, wir genügen nie, und was wir anhaben, um Himmels willen, was wir anhaben, das ist zu kurz, zu lang, zu eng, zu rot, zu feminin, zu maskulin. Warum ist das ein Thema? Warum ist das unter uns ein Thema? Wir Frauen sind so, dass wir uns selber den Männern zum Fraß vorwerfen. Damit sie uns nicht totbeißen, liefern wir uns aus, halten die Schlagadern an ihre Münder, zeigen mit den Fingern aufeinander, zeigen den Männern unsere Schwachstellen. Wir machen uns lustig über uns, wenn wir in die Wechseljahre kommen, zu nichts mehr taugen, als Sexobjekt uninteressant geworden sind. Wir drehen lustige Serien wie Doris Dörrie über unsere abstoßenden Seiten. Das ist doch lustig, das ist doch sehr lustig, es sind ja nur Frauen, die sich lächerlich machen. Man muss doch Humor haben, mal über sich lachen können, nicht wahr?
    Wir sind so. Da ist kaum Selbstverständnis, wir nehmen uns nichts: Wir quengeln, wir hassen uns gegenseitig, neiden uns Erfolge. Es ist hervorragend, dass die Musikindustrie uns gezeigt hat, wie wir uns zu kleiden haben, wenn wir jung sind. Verfügbar muss das aussehen, verstehen Sie, immer bereit und willig. Wir müssen Rosa tragen. Es gibt doch das Recht einer Frau auf Rosa! Wenn ein Mann sich schlecht benimmt, wenn er vergewaltigt oder tötet, müssen wir ihn verteidigen, wir müssen ein Auge zudrücken und sagen:
    »Ja, wir Frauen sind aber auch nicht besser. Wir würden es nicht besser machen, das Regieren, das Forschen, das Dichten – wenn uns mal einer ließe –, aber lieber nicht, denn wir würden es auch nicht besser machen.« Wir kennen uns, meinen wir, wir sind unzuverlässig, wir reden schlecht übereinander, wir sind launisch. Wir müssen gebären, und unsere Ministerinnen verlangen, dass wir gebären, und wir stellen uns dafür gerne zur Verfügung, denn wer soll den Mist sonst machen. Wir müssen verdammt noch mal in Würde altern, dass heißt: unsichtbar werden. Wir misstrauen uns, und das zu Recht! Ich hoffe, Ihre Frage ist damit hinreichend beantwortet.

Ich schreibe schon immer.
    Soll ich Schriftstellerin werden?

    Folgt man der geschlossenen Meinung aller Literatursachverständigen des deutschsprachigen Raumes, so können Sie nicht einfach Schriftstellerin werden. Sie müssen vorher leiden. Oder bei der Waffen- SS gewesen sein, hoppla, kleiner Scherz! Auf jeden Fall brauchen Sie nach unserer vorherrschenden literaturkritischen Diskurstheorie ein Talent, das über Sie kam. Nach dem Leiden. Das Schreiben, so die Meinung, kann man nicht erlernen, dieses flirrende kleine Ding. Ungeachtet der Tatsache, dass man heute, ohne Kunst zu studieren – das Handwerk, die Geschichte –, kaum ein ernstzunehmender (meint: verdienender) Künstler werden kann; ungeachtet dessen, dass es keinen Musiker gibt, der nicht jahrelang studiert, geübt und Musiktheorie gepaukt hat, kann man von Natur aus schreiben oder eben nicht.
    Öffentliche Verachtung straft angelsächsische Autoren mit ihren perversen creative writing -Kursen. Der deutsche Autor leidet und schreibt. Er leidet vor allem an Geldmangel, doch gegen den gibt es Stipendien und Preise, die verteilt werden. Mit Großmut. Und Ernsthaftigkeit. Für ernsthafte Literatur. Blocksatzgewordene Selbstfindung. Naturbeschreibungen. Leiden. Das Land hält sich ein paar Autoren. Und schenkt ihnen ab und zu Geld. Gönnerhaft. Nein, es befreit Autoren nicht nach irischem Vorbild von Steuern, gibt ihnen nicht wie nach norwegischem Vorbild einen lebenslangen Zuschuss, vergünstigte Wohnungen, wenn sie schon Produkte herstellen, die im Markt keinen hohen Stellenwert haben. Hier erhält der Autor sechs bis zehn Prozent des Verkaufspreises. Bekanntere verkaufen an die

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