Wie halte ich das nur alles aus?: Fragen Sie Frau Sibylle (German Edition)
viertausend Bücher. Es sei denn, sie waren vorher im Fernsehen. Oder in BILD . Wollen Sie sich dann noch ein wenig öffentlich demütigen lassen, nur zu.
Sie können veröffentlichen, was Sie wollen. Sie haben Narrenfreiheit, Sie sind eine Frau. Außer kritischen Kommentaren zu Ihrem Äußeren – es sei denn, Sie sind Migrantin oder haben ein anderweitig hartes Schicksal, dann werden Sie davon verschont und man hat Mitleid mit Ihnen – werden Sie nie etwas anerkannt Großes leisten. Sie wissen schon. Schreiben Sie über ein Paar, wird es immer eine kleine Beziehungsgeschichte sein; schreibt Ihr männlicher Kollege über dasselbe Thema, erklärt er die Welt in einem Mikrokosmos. Schreiben Sie über die Welt, wird es heißen: Sie erklärt die Welt aus der Sicht einer Frau. Verzichten Sie auf Ironie! Frauen sind nicht ironisch, sondern bitter. Schreiben Sie Krimis. Frauen und Morde, das erregt die Kritiker. Oder machen Sie was mit Kindern. Hüten Sie sich vor weitergehenden Ambitionen, das haben Frauen einfach nicht drauf. Wo ist denn der weibliche Shakespeare, nicht wahr? Frauen sind gut für das Kleinteilige, Männer erkennen die großen Zusammenhänge. Man glaubt ihnen eher. Man bespricht sie lieber. Und versuchen Sie nicht, komisch zu sein. Frauen sind nicht komisch. Am besten, wie gesagt, sie leiden. Sie kommen aus irgendeinem außereuropäischen Land und leiden. Bingo. Volltreffer. Schreiben Sie das auf. Oder machen Sie was über Ihre Genitalien. Genitalien und Frauen sind immer ein Gewinnerteam! Ich hoffe, ich konnte Ihnen weiterhelfen.
Frauenquote, Mitleid, Schonung,
brauche ich das eigentlich?
Beruhigen Sie sich, von einer Frauenquote werden Sie nicht belästigt. Dafür haben drei unserer Politikerinnen gesorgt, die der natürlichen Dominanz der Herren in den führenden DAX -orientierten Unternehmen des Landes nachgaben, welche klar und entschieden den Kopf schüttelten. Sie gehören zu den Frauen, die durch ihre Leistung überzeugen wollen? Sie sind vermutlich um die dreißig und kinderlos? Bleiben Sie es! Sonst wird es ein wenig schwierig, denn sicher haben die Herren in Ihrer Firma nicht daran gedacht, einen Kindergarten einzurichten. Und ein Aussetzen wirft Sie sicher aus der Karriereschleife, denn mit großer Wahrscheinlichkeit haben Sie keinen Mann, der zu Hause bleibt. Also kein Kind. Wozu auch. Die Welt ist sowieso zu voll. Sie wollen selber zeigen, was sie draufhaben? Viel Spaß, es wird ein einsamer Weg. Denn da gibt es keine Kolleginnen, die Sie fördern würden, weil Sie selber durch eine Quote in die Führungsriege aufgestiegen sind. Insgesamt gibt es vielleicht nur eine Frau, die ist müde geworden und ein wenig hart: Weil sie jeden Tag mit zwanzig Männern diskutieren musste; sich mit der Sekretärin verwechseln lassen musste; sich blöde Witze anhören musste; schräge Blicke ertragen musste, denn sie war die Einzige aus einer eingebildeten Randgruppe unter eingebildeten Normalen.
Randgruppe, murmeln Sie, ha, wir sind die Hälfte der Welt. Sicher, Sie sind die Hälfte der Welt, die in der Schweiz bereits in den Siebzigerjahren wählen durfte, die in der Werbung gezeigt bekommt, dass sie ständig ausläuft, aussuppt, riecht, schmutzig ist, Binden braucht – unbedingt Binden, weil sie verdammt noch mal nicht perfekt ist, sie ist Angehörige einer Randgruppe. Männer diskutieren über die Frauenfrage: Sollen wir sie internieren oder nicht? Sind sie zurechnungsfähig? Sie haben Hormonschwankungen, Frau, wie könnten Sie ein 79-Milliarden-Unternehmen leiten? Unsere Aktionäre, meist Männer, denn in deren Händen befinden sich die größten Teile des Weltvermögens, würden Ihnen nicht vertrauen. Natürlich brauchen Sie keine Frauenquote, wir sind doch in Deutschland, dem Land der Mütter, des Waschpulvers, des Putzzwanges. Sie schaffen es alleine, sicher, Sie Frau, deren Randgruppenkolleginnen verschleiert und zugenäht durch die Welt laufen, die halbnackt in Schaufenstern sitzen. In den letzten Jahren haben es ja viele Frauen ohne gesetzliche Förderung geschafft. Schauen Sie sich all die Operndirektorinnen, Dirigentinnen, Kamerafrauen, Bankdirektorinnen, Chefredakteurinnen und Verlagschefinnen an. Sie merken meine kleine Ironie? Selbstredend ist die Abwesenheit der Frauen in der Führung selbstverschuldet.
Haben Sie auch gelesen, dass es in einigen Jahren ein Heer von Frauen gibt, die in Altersarmut leben werden? Keine Renten mehr für unterbezahlte Krankenschwestern und
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