Wie ich Brad Pitt entführte
zusammengesunken. Mir ist schwindelig, und ich zittere am ganzen Körper. Ich habe nicht mehr die Kraft, aufzustehen.
Arme Linda, armer Tom. Sie wussten noch nichts von dem ultimativen Beweis für Max’ Schuld, den ich gerade gefunden hatte. Sie waren im Schlafzimmer geblieben und hatten sich darüber gestritten, wie man jetzt mit der Presse verfahren sollte. Ob eine Flucht nach vorne sinnvoll war oder eben nicht. Dann hatte jemand an der Tür sturmgeläutet, und sie waren fluchend nach unten verschwunden.
Jetzt war alles still, viel zu still für einen Polizeieinsatz. Also war es wahrscheinlich doch nur mein stoisch-kalkulierender Erzeuger, der sich zwar nach meinem Abschiedsbrief nicht gemeldet hatte, aber jetzt gerade mit Linda und Tom fachsimpelte, wie er sich am elegantesten von mir lossagen konnte. Eine Freigabe zur Adoption kommt wahrscheinlich bei meinem Alter nicht mehr infrage, aber vielleicht konnte er mich für verrückt erklären und in die Klapsmühle sperren lassen? So wie diese arme, verheiratete Mätresse von Edward VII., deren Familie es vorzog, sie sechsunddreißig Jahre lang (bis zu ihrem Tod!) in der Nervenanstalt versauern zu lassen, statt mit der Familienschmach des töchterlichen Ehebruchs zu leben. Ein Bauernopfer. Ich würde nun auch so eines werden. Da bin ich mir völlig sicher.
Ich weiß nicht, wie lange ich schon so da gelegen habe, aber von der einen auf die andere Sekunde gefriert mein Blut. Elektroschockartig springe ich auf die Füße und lausche an der Tür. Das konnte ja wohl nicht wahr sein. So eine unfassbare Chuzpe!
Max?!!! Seine Stimme hier im Haus? Oder leide ich schon an Halluzinationen?
»Wo ist sie?« Es klingt hitzig und erregt. Aber es ist ohne jeden Zweifel Max, der diese Worte spricht.
»Mann, verpiss dich! Dein Typ ist hier nicht mehr gefragt.« Tom ist auch schon mal höflicher gewesen.
»Haben Sie überhaupt einen Durchsuchungsbefehl?«, wirft Linda schnippisch ein. Die drei Stimmen kommen näher.
Mist, was mach ich nur? Reflexartig wische ich mir die Tränen, von denen ich gar nicht wusste, dass ich sie geweint hatte, aus den Augen. Ich ziehe meinen Pulli glatt und zwicke mir, um meinen Teint aufzumöbeln, einmal rechts und links kräftig in die Wangen. Ha! Die Genugtuung, mich am Boden zu sehen, würde ich ihm nicht auch noch gönnen!
Hocherhobenen Hauptes trete ich aus dem Zimmer und artikuliere extrem unterkühlt: »Was kann ich für Sie tun, Herr Benninger?«
Auf seinem Gesicht scheint sich ein ganzer Regenbogen aus Emotionen zu spiegeln. Rote Wut. Gelbe Ungläubigkeit. Aber auch eine ganz spezielle Verletzlichkeit, die leicht grünlich schimmert und mich kurzfristig völlig aus dem Konzept bringt. Am Schluss bleibt nur ein eiskaltes Indigo übrig. Kein zartes Violett.
Mich friert, wenn ich ihn so anschaue. Diese Maske aus unnachgiebiger Kälte. Er ist natürlich kein bisschen überrascht, Tom hier zu sehen. Ob er es die ganze Zeit über wusste?
Max räuspert sich. Dann wandert sein Blick einmal kurz zwischen Tom und mir hin und her. »Ach, so ist das«, sagt er und schaut mich nicht mal mehr direkt an, sondern stiert intensiv auf einen imaginären Gesprächspartner neben mir. »Ich wollte dich nur warnen. Gleich wird hier ’ne ganze Horde Polizei über dich …«, er blickt zu Tom, »… und deinen Schatz herfallen.« Die letzten vier Worte schleudert er mit so einem Übermaß an arroganter Verachtung und beißendem Spott hervor, dass ich mich an der Wand hinter mir abstützen muss. Aber dann nehme ich meinen ganzen Mut zusammen. So leicht lass ich mich nicht kleinkriegen! Da ist er bei mir an der falschen Adresse.
»Ach, wie nett von dir! Ausgerechnet
jetzt
kommst du her, um uns zu warnen?« Meine Stimme überschlägt sich. »Oder willst du zusehen, wie sie uns abführen?! Du elender Verräter!«
Eine Ader auf Max’ Stirn schwillt an. Er sieht so verdammt wütend aus, dass mir nun doch ein kleines bisschen bange wird. Aber dann setze ich noch einen drauf. Ich strecke ihm meine Hände dramatisch übereinandergekreuzt entgegen und schreie: »Warum machst du’s denn nicht gleich selbst? Oder willst du dir nicht die Finger schmutzig machen?«
Max ringt sichtlich um Fassung. »Vicki, wir haben keine Zeit mehr für so was. Die kommen gleich! Du haust jetzt echt besser ab!«
Linda sieht uns mit offenem Mund an. In diesem Moment mischt Tom sich ein.
»Ach, ja! Damit die Bullen sie auch noch auf der Flucht erwischen? Soll sie für noch ’n paar
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